Sauwetter statt Samba! Anders als im Hochglanzreiseführer zeigt sich Rio de Janeiro grau in grau. Auch damit muss man rechnen.
von Michael Mross
Der Inhalt zweier zigarettenschachtelgroßer Päckchen, die wie selbstverständlich auf der Minibar liegen, deutet es schon an: Regen ist in Rio nichts Unbekanntes. Der Inhalt: je ein Regenüberhang aus feinem Plastik. Sehr praktisch. Denn Rio ist ein Regenloch!
Der Wetterbericht macht wenig Hoffnung: Die Prognosen schwanken zwischen „heavy rain“ und „lots of rain“ – wobei wohl nur der Brasilianer selbst das Geheimnis dieses Unterschiedes kennt.
Anders als in den farbenfrohen Hochglanzprospekten versinkt der Moloch im Grau und im Dreck. Cafes oder Restaurants sucht man am Strand vergeblich, dafür zieren graue Appartementhäuser den Rand der Gestade. Eines dieser Häuser, das besonders schrecklich aussieht, ist mein Hotel. Zimmer aus braunen und alten Orangetönen, welches bei Betätigen des Lichtschalters in eine Energiesparhölle verwandelt wird. Warum es dafür 4 Sterne gegeben hat, bleibt rätselhaft. Vielleicht wegen der Straße?
Eine 4spurige Straße vor diesem Übergangsheim für Reisende sorgt dafür, dass Tiefschlafphasen keine Chance haben. Eine lärmende Großbaustelle gegenüber fördert das Urlaubsvergnügen auch nicht besonders.
Alles ist verrammelt und vergittert in Rio. Die Angst vor Diebstahl und Raub allgegenwärtig. Anders als in Afrika, wo sich der Wohlhabende mittels eines vornehmen Hochspannungszauns unliebsame Gäste vom Leib hält, ist hier alles verbarrikadiert.
Der gemütliche Nachhauseweg nach dem Abendessen gerät zum Abenteuer. Wetten werden abgeschlossen, ob man den Spaziergang zum Hotel unversehrt übersteht oder nicht. Aber bis jetzt ist nix passiert... Eigentlich schade.
Heute Vormittag beobachtete ich, wie eine gemeine Stranddiebin gefasst wurde. Diese versuchte sich mittels einiger Helfershelfer dem Zugriff der Obrigkeit zu entziehen. Große Schlägerei. Echt mutig von den Dieben, sich so mit der Polizei anzulegen. Von allen Seiten eilten Gesetzeshüter herbei, einige sogar mit Maschinengewehr. Ich suchte aber das Weite, weil ich jeden Moment Kreuzfeuer befürchtete.
Warum steht in den Reiseführen eigentlich nicht, dass man sich in Rio nie ohne kugelsichere Weste aus dem Haus begeben sollte? Ist am Strand, beim Schwimmen vielleicht ein bisschen hinderlich – aber doch wohl immer noch besser als tot...
Zwei Bilder mit dem überwältigenden Blick aus meinem Hotelzimmer sind diesem Bericht beigefügt. Eines zeigt den berühmten Corcovado – der Berg mit der Christusfigur, leider in Wolken gehüllt. Der Herr wollte die Stadt wohl nicht mehr sehen. Deshalb regnet es hier wohl auch so oft.
Das zweite Foto (rechts) zeigt die graue Realität an der weltbekannten Beach von Ipanema – oft besungen und befeiert...
Rio de Janeiro: Blick auf Corcovado und Ipanema