EZB könnte im April die Zinsen erhöhen. Das sagte Trichet auf der Pressekonferenz in Frankurt. "Mit Blick auf die Eindämmung von Risiken für die Preisstabilität ist starke Wachsamkeit geboten."
von Dr. Marco Bargel Chefvolkswirt Postbank
Erwartungsgemäß beließ der EZB-Rat auf seiner heutigen Sitzung den Leitzins auf dem aktuellen Rekordtief von 1%. Auch die unkonventionellen Maßnahmen werden zunächst in unveränderter Form fortgeführt.
Der nochmalige deutliche Schwenk in den Aussagen Trichets kann aber als ein klarer Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende Anhebung der Leitzinsen gewertet werden. Insbesondere die Formulierung "strong viligance is warranted" benutzte die Notenbank in der Vergangenheit immer, um die Märkte auf eine Leitzinsanhebung in der darauffolgenden Sitzung vorzubereiten. Gleichzeitig liefert die EZB auch die Begründung für den geldpolitischen Trendwechsel. So sieht sie nunmehr Aufwärtsrisiken für die Inflation, nachdem diese nach ihrer Einschätzung im Vormonat noch ausgeglichen waren. Zudem schätzen die Währungshüter die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung nun als ausgeglichen ein. Diese Einschätzung wird durch die neuen Projektionen, die heute veröffentlicht wurden, untermauert. Danach wird das Bruttoinlandsprodukt in der EWU in diesem Jahr zwischen 1,3% und 2,1% wachsen. In den vorangegangenen Projektionen wurde noch ein Wachstum zwischen 0,7% und 2,1% erwartet. Bemerkenswert ist auch die kräftige Anhebung der Projektion für die Inflationsrate auf 2,0% bis 2,6% in diesem Jahr. Dabei ist laut EZB noch nicht einmal der jüngste Preisanstieg bei Rohöl berücksichtigt! Die Währungshüter gehen insofern von einer deutlichen Verfehlung des Stabilitätsziels in diesem Jahr aus. Sorgen dürfte der EZB in diesem Zusammenhang auch der jüngste Anstieg der Inflationserwartungen im Euroraum bereiten.
Nach den heutigen Äußerungen halten wir eine Anhebung der Leitzinsen um 25 Basispunkte bereits auf der kommenden Sitzung für sehr wahrscheinlich. Eine ausgemachte Sache ist dies aber noch nicht. So weist Trichet darauf hin, dass die Verwendung der Formulierung "strong vigilance" nicht zwingend auf eine Zinsanhebung auf der nächsten Sitzung hindeutet. Die EZB hält sich somit - wie üblich - eine Hintertür offen. Die aktuelle Konjunktursituation im Euroraum ist nach wie vor durch eine starke Divergenz der Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten gekennzeichnet. Während die großen Staaten solide Wachstumsraten verzeichnen, verharren einige Peripheriestaaten in der Rezession. Zudem sind jederzeit erneute Rückschläge an den Finanzmärkten möglich. Insofern wäre ein klares Pre-Commitment der EZB für eine Zinserhöhung auch kaum glaubwürdig. Trichet hat zudem deutlich gemacht, dass die Märkte keinen großen Zinsschritt oder eine Serie von Zinsanhebungen erwarten sollen.
Unseres Erachtens ist die Ankündigung der EZB zu diesem Zeitpunkt als ein Vorstoß zu werten, den Fokus wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zu lenken - nämlich die Wahrung der Preisniveaustabilität. Offensichtlich bietet das aktuell gute konjunkturelle Umfeld und der Anstieg der Inflationsrate nach ihrer Einschätzung hierzu eine geeignete Gelegenheit. Das Zeitfenster für eine Zinsanhebung könnte sich als sehr kurz erweisen, da die Wachstumsraten im Euroraum im Jahresverlauf aller Wahrscheinlichkeit nach zurückgehen werden und auch die Inflationsrate aufgrund von Basiseffekten wieder zeitweise in den Zielkorridor zurückkehren dürfte. Die Geldpolitik wird auch nach ein oder zwei kleinen Zinsschritten noch sehr expansiv bleiben und die Konjunkturerholung im Euroraum kaum beeinträchtigen. Für die EZB wäre ein solcher Schwenk aber ein wichtiger Schritt in Richtung Emanzipation von der Finanzpolitik und den Märkten, da sie die Glaubwürdigkeit der Notenbank als Hüter der Preisniveaustabilität stärken würde.
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