Brüssel ist rührend besorgt um die Steigerung des deutschen Bruttosozialproduktes. Das deutsche Wirtschaftswachstum soll gestärkt werden mithilfe billiger ausländischer Arbeitskräfte. Aus diesem Grund sollen die Grenzen für ausländische Arbeiter geöffnet werden. Schicksal und Rechte der deutschen Lohnsklaven ist der EU natürlich egal. - Ab dem 1. Mai haben die Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten das Recht, in Deutschland zu arbeiten.
Die Brüsseler EU-Kommission erwartet, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes ab dem 1. Mai in den kommenden Jahren zu einem starken Zuzug ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland führen wird. Der zuständige EU-Sozialkommissar Laszlo Andor sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagausgabe): "Es ist zu erwarten, dass infolge der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes in den kommenden vier Jahren rund 100.000 Arbeitnehmer jährlich nach Deutschland kommen werden. Davon wird ungefähr die Hälfte aus Polen stammen."
Der Zuzug von mittel- und osteuropäischen Arbeitnehmern werde aber helfen, so Andor, den Arbeitskräftemangel in wichtigen Industrie- und Dienstleistungsbranchen zu reduzieren. Außerdem würden Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit zurückgehen. "Dies alles wird zu mehr Wohlstand und einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent im Jahr in Deutschland führen", sagte der EU-Kommissar.
Andor erwartet "keine größeren Einflüsse" der Zuwanderung auf die Entwicklung von Löhnen und Arbeitslosigkeit. Allerdings warnte der EU-Kommissar vor negativen Auswirkungen der neuen Mobilität für die Herkunftsländer: "Die Realität für viele mittel- und osteuropäische Länder ist, dass sie jetzt in einigen Bereichen, wie dem Gesundheitssektor, durch die Öffnung der Arbeitsmärkte gut ausgebildete Kräfte verlieren werden."
Bayerns Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Emilia Müller (CSU), warnte dagegen vor möglichen negativen Auswirkungen der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit. "Es gibt Risiken, die ernst zu nehmen sind. Wir werden die Entwicklung nach dem 1. Mai genau beobachten und bei Bedarf zügig und entschlossen gegensteuern. Denn eine Zuwanderung in unser Sozialsystem, Verdrängungskonkurrenz für gering Qualifizierte und eine Abwärtsspirale bei den Löhnen darf es nicht geben", sagte Müller dem Blatt.
Sie ergänzte: "Die bayerische Europapolitik steht für ein Europa ohne Schranken, aber nicht ohne Leitplanken." Insgesamt erwartet Müller durch die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes aber "ein Mehr an Wohlstand für unser Land". Hintergrund der Äußerungen: Ab dem 1. Mai haben die Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten, die 2004 der EU beigetreten sind - Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen - das Recht, in Deutschland zu arbeiten.
Rechtliche Grundlage ist das Gesetz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Anders als beispielsweise Großbritannien, die Niederlande, Schweden oder Spanien hatten Deutschland und Österreich von Übergangsregelungen Gebrauch gemacht, die eine Öffnung des Arbeitsmarktes erst sieben Jahre nach dem Beitritt ermöglichen. Für Bulgarien und Rumänien, die im Jahr 2007 der EU beigetreten sind, gilt die Übergangregelung bis Ende 2013.