In Deutschland sind mehr als sieben Millionen Menschen kaufsuchtgefährdet - diagnostiziert Martina de Zwaan, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischren Abteilung der Uni Erlangen. "Nichtsdestotrotz wird die Krankheit, die im Fachjargon pathologisches Kaufen genannt wird, noch immer bagatellisiert", so de Zwaan.
Unter pathologischem Kaufen werden exzessive Kaufverhaltensweisen verstanden: Z.B. Impulskäufe / Kaufzwänge / Kaufsucht, die zu erheblichen sozialen und finanziellen Problemen führen und starken Leidensdruck verursachen. Zudem wiesen die Forscher nach, dass Kaufsucht, wie Alkoholmissbrauch, keine wirklich heilbare Krankheit ist. Man könne nur die Symptome abmildern, jedoch niemals den Drang zum Einkaufen ganz unterdrücken.
Neben dem zwanghaften Drang Einkaufen zu gehen, leiden die meisten Betroffenen zudem noch unter Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Alkoholmissbrauch oder Essstörungen. "All das führt bei ihnen und bei ihren Familien zu einem enormen Leidensdruck", erklärt de Zwaan.
Erstmalig konnten die Forscher zudem nachweisen, dass auch der soziale Kontakt zum Verkäufer und die Interaktion mit diesem einen entscheidenden Einfluss auf das Kaufverhalten haben. "Die Fachgespräche mit dem Verkäufer geben den Patienten förmlich einen Kick, steigern das Selbstwertgefühl und bestärken sie darin, weiterhin einkaufen zu gehen", sagt de Zwaan. Jedoch sei dies nur ein Symptom der Krankheit und kein auslösender Grund.
Als solche machten die Wissenschaftler hingegen langfristigen Stress und Druck, sei dies zu Hause, bei der Arbeit oder im Freundeskreis, aus. "Die Erkrankten entziehen sich durch das Einkaufen diesem Stress und schaffen sich so eine Befriedigung", erklärt de Zwaan. Ähnlich wie bei Kleptomanen, die ihre gestohlenen Sachen nicht anrühren, ist der gekaufte Gegenstand auch für Kaufsüchtige nicht von Interesse. "Sobald bezahlt ist, ist der Kick weg und die Sachen verschwinden zu 99 Prozent in einer Ecke oder werden verschenkt", so de Zwaan.
Ob die Krankheit durch raffinierte, psychologisch ans Unterbewußtsein adressierte Werbung und durch Einsatz trickreicher Marketinstrategien ausgelöst wird, wurde nicht untersucht.