Kino.to ist down. Millionen User überrascht von der gewaltsamen Schließung. GVU spricht von der Zerschlagung einer kriminellen Vereinigung. - kino.to Mitarbeiter: "Wir kommen wieder". - GVU down wegen DDOS-Attacke.
von Albert Wagner
kino.to ist offline. Das Portal war trotz (oder gerade wegen?) seiner illegalen Inhalte eine der beliebtesten Seiten Deutschlands. Eigentlich war es ja unvermeidlich, dass die Behörden irgendwann mal zuschlagen würden. Dass es dann doch geschah, hat dennoch viele überrascht. Noch mehr überrascht eigentlich, dass kino.to angeblich überwiegend aus Deutschland betrieben worden sein soll – wo doch jeder weiss, dass so was verboten ist und es im fernen Ausland genügend Möglichkeiten gibt.
"Wahrscheinlich hatten die Betreiber von kino.to einfach nur Pech. Wären sie in den USA mit ihrer Idee gestartet, hätten sie anstelle von Haftbefehlen eher ein Milliardenangebot von Google erhalten, so wie einst YouTube", meint Andreas Popp.
In Deutschland durchsuchten 250 Polizisten und Steuerfahnder sowie Datenspezialisten über 20 Wohnungen, Geschäftsräume und Rechenzentren, erklärte die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), auf deren Anzeige hin die Ermittlungen aufgenommen worden waren. Die Website sowie zahlreiche Filehoster wurden vom Netz abgeklemmt.
Der Schaden für die Filmwirtschaft liege laut GVU im "siebenstelligen Euro-Bereich". Auch die Gewinne der Hauptbeschuldigten sollen im Millionen-Bereich liegen.
Eine Sondereinheit ermittelt insgesamt gegen 21 Personen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegenüber heise online. Gegen 14 Hauptbeschuldigte sei Haftbefehl erlassen worden. Während zwölf Verdächtige in Deutschland verhaftet wurden, sei eine Person in Spanien in Gewahrsam genommen worden. Nach einer weiteren Person werde noch gefahndet. Die Hauptverdächtigen haben den Angaben zufolge Wohnsitz und oder Büros im Zuständigkeitsbereich der sächsischen Justiz. In Deutschland schlugen die Ermittler in Leipzig, Hamburg, Bremen, Nürnberg, Minden, Berlin und Zwickau zu.
kino.to war besonders beliebt bei Mittellosen und Hartz IV-Empfängern. Zur Begründung des Erfolges des Kino.to-Webangebotes führten die Betreiber unter anderem an, „dass bei 7 Millionen Hartz IV Empfängern, die Preise für jegliches Medium definitiv zu hoch“ seien, sodass Unterhaltungsangebote mit anderen Bedürfnissen konkurrierten.
Nach eigenen Angaben seitens Kino.to wurden keine Log-Daten gespeichert, da der Service nicht in Europa stehe und somit nicht unter das Datenspeichergesetz falle.
Die „Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen“ spricht unterdessen von eine Sieg gegen die Piraten. Doch aktuell ist der lange Arm der Filmkonzerne tot: Der Server steht oder DDOS Attacke. Nichts geht mehr.
Wie die GVU mitteilt, wiesen die Erkenntnisse zum System kino.to darauf hin, dass es sich um "ein arbeitsteiliges parasitäres Geschäftsmodell" handelt, welches "auf Grundlage von systematischen Verletzungen von Urheber- und Leistungsschutzrechten einzig zu dem Zweck etabliert wurde, allen Beteiligten dauerhafte Einkünfte aus illegalen Profiten zu verschaffen."
Der Sieg GVU könnte sich allerdings als Phyrrus-Sieg herausstellen. Schon arbeiten subversive Kräfte im Netz an Alternativen zu kino.to – Derzeit gibt es mindestens acht Plattformen, die ähnliche Inhalte wie kino.to anbieten.
Kino.to operierte nach Ansicht der PIRATEN in einer Grauzone des nationalen und internationalen Urheberrechts. Die Piratenpartei hält es für ein schwerwiegendes Versäumnis der Politik, dass in den letzten 20 Jahren keinerlei Anstrengungen unternommen wurden, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Dass die Behörden nun mit der Abschaltung von kino.to ein Symptom dieser verfehlten Politik zu bekämpfen versucht, hält die Piratenpartei für falsch.
»Die Medien-Industrie hat die Europäer von allen existierenden Streaming-Portalen ausgesperrt, ein lizensiertes deutsches Streaming-Portal gibt es nicht. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn Alternativ-Angebote entstehen", erklärt Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei. Noch einen Schritt weiter geht Andreas Popp, Urheberrechtsexperte und ehemaliger Bundesvorstand der PIRATEN. Er prophezeiht: »Diese Aktion war vollkommen sinnlos. Schon bald werden andere kommen und die Lücke füllen«.
Besonders die Verwertungsindustrie selbst muss sich in diesem Zusammenhang Kritik gefallen lassen. Portale wie kino.to zeigen, dass es große Nachfrage nach einem solchen Angebot gibt und sich damit auch Geld verdienen lässt. Die Verwerter könnten von dieser Kreativität nach Ansicht der PIRATEN viel lernen. »Vielleicht sollte sich die Content-Industrie überlegen, den Betreibern einen Job anzubieten statt sie zu verfolgen«, schlägt Nerz vor. Die Kriminalisierung von Millionen potenziellen Kunden führt dagegen sicher nicht zu mehr Einnahmen an der Kinokasse.
Unterdessen melden sich offenbar einige Mitarbeiter von kino.to und kündigen an: Wir kommen wieder.
Ein Mitarbeiter von kino.to bei facebook (FB: „Alternativen zu Kino.to“):