Eigentlich sollte ein Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und nicht die des Vorstands. Doch das war einmal.
Nachdem Wiedeking letztes Jahr 60 Millionen Euro einsteckte, winken dieses Mal geschätzte 100 Millionen. Damit dürfte der Vorstandvorsitzende von Porsche der best bezahlte Chef der Welt sein. Zum Vergleich: Lufthansa Chef Wolfgang Mayrhuber verdient 2,6 Millionen im Jahr. Lufthansa hat 110000 Mitarbeiter, Porsche nur gut ein Zehntel davon: 12000.
Der Vorstand von Porsche kassierte im Geschäftsjahr 20006 / 2007 insgesamt 112 Millionen Euro.
Doch anstatt die exorbitanten Geldbeträge zumindest in Frage zu stellen, findet Porsche Betriebsratsvorsitzender Uwe Hück im SPIEGEL Interview*: „Das ist völlig OK.“ Was dagegen die von ihm vertretene Arbeitnehmerschaft denkt, ist ihm offenbar unbekannt.
Arbeitnehmervertretung in einer neuen Dimension: Der eine lässt sich während des Lufthansa-Streiks von der Airline zwei First Class Tickets spendieren und flüchtet in die Südsee, während seine Mitglieder verzweifelt um mehr Gehalt kämpfen. - Der andere findet Rekordzahlungen für den Vorstand „völlig OK“, während die Arbeiter am Fließband schon Angst vor der nächsten Krise haben.
Ansonsten aber ist Hück nicht gerade zimperlich, wenn es um Kritik geht. In den Aufsichtsratssitzungen, so heißt es, hat ausgerechnet der gelernte Lackierer den größten Redeanteil. Er fetzt sich regelmäßig mit Vorstandschef Wiedeking und brüllt den etwa mit den Worten an: „Wiedeking, du hast wohl ein Loch im Kopf!“**
Das haben Frank Bsirske und Uwe Hück gemeinsam: Beide sind stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende in ihrem Unternehmen. Der eine Ver.di Gewerkschaftsboss, der andere ist Vertreter der IG Metall in Stuttgart.
Vielleicht sollte sich der Gewerkschaftsführer mal fragen, wer eigentlich die 100 Millionen erwirtschaftet? Ist es der Chef oder sind es die 12000 Arbeiter von Porsche?
Ist Porsche ein Selbstbedienungsladen des Vorstands oder ist Porsche eine Aktiengesellschaft, die den Anteilseignern gehört?
Die Verdienste von Wendelin Wiedeking sind unbestritten. Unbestritten ist aber auch, dass es in der Autoindustrie demnächst bergab geht. Im Juli sind die Porsche-Verkaufzahlen in den USA um 4 Prozent gesunken. Vor diesem Hintergrund noch mal schnell eine dreistellige Millionensumme zu kassieren, dass ist mehr als ein Skandal. Es ist eine instinktlose Frechheit, Raubtierkapitalismus.
Hinzu kommt, dass das anstehende Rekordergebnis bei Porsche nicht mit Autos verdient wurde, sondern mit Börsenspekulationen. Die Finanzabteilung machte im abgelaufenen Geschäftsjahr allein 3,6 Milliarden Gewinn mit dem Kauf von Aktienoptionen auf Volkswagen! Und der mehr als wundersame Aufschwung der VW-Aktie wird irgendwann kollabieren.
Die 100 Millionen gehören in die Risikovorsorge des Unternehmens und nicht in die Privatschatulle des Vorstandschefs.
Gibt es eine natürliche Grenze für Vorstandsgehälter? Kann jemand mehr als ein paar Millionen „verdienen“? Oder ist ab einer bestimmten Obergrenze nicht der Tatbestand der Skrupellosigkeit erfüllt?
Selbst wenn, wie im Fall Wiedeking, ein Gewinnbeteiligungsvertrag ausgehandelt wurde – ist es nicht eine Sache des Anstands und der Fairnis, hier eine freiwillige Obergrenze einzuziehen? Sind 60 Millionen nicht schon unanständig? Ist diese Summe nicht auch schon zu hoch?
Ich bin weit entfernt von gesetzlichen Mindestlöhnen und Vorschriften für Vorstandsgehälter. Doch der Fall Wiedeking wird die Massen einmal mehr anstacheln, eben dies zu fordern.
Doch es geht nicht nur um die Interessen der Arbeitnehmer, es ist auch eine Frage der Aktionärskultur. Wenn schon der Vorstand jede Bodenhaftung verloren hat, dann müssen ihm die Aktionäre Einhalt gebieten. Doch auch von dieser Seite gibt es bisher kaum Kritik.
**)Focus 28 2008
*)Lesen Sie auf der nächsten Seite das vollständige SPIEGEL Interview:
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Interview mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück im Wortlaut:
SPIEGEL: Herr Hück, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking dürfte im laufenden Geschäftsjahr rund hundert Millionen Euro verdienen. Was sagen die Porsche-Arbeiter zu so einem Gehalt?
Hück: Das ist doch eine Phantasiezahl – und sie bleibt es, auch wenn diese verwegene Prognose im SPIEGEL stand. Das Geschäftsjahr ist erst am 31. Juli abgelaufen. Die endgültigen Zahlen kennen wir also noch gar nicht.
SPIEGEL: Tatsache ist, dass Ihr Boss schon im vergangenen Jahr über 60 Millionen verdient hat. Gibt es eine Grenze, von der an Managereinkünfte unanständig werden?
Hück: Unanständig ist es, wenn Manager Werke schließen, Mitarbeiter entlassen und dann persönlich noch enorme Gehälter kassieren. Da gehe ich auf die Barrikaden. Wir haben eine ganz andere Situation. Als Porsche 1992 in der Existenz bedroht war, wollten die Banken die anstehende Kapitalerhöhung nur begleiten, wenn Herr Wiedeking persönlich mit seinem Privatvermögen haftet. Wir Arbeitnehmervertreter haben ihn bedrängt: Machen Sie das! Er hat damit ein Risiko auf sich genommen, das in der deutschen Wirtschaft seinesgleichen sucht. Der Aufsichtsrat hat Wiedeking dafür später eine Gewinnbeteiligung zugesichert – und das ist völlig okay.
SPIEGEL: Seither sind die Gewinne in unglaubliche Höhen gestiegen, und der Porsche-Chef kassiert mehr als alle anderen Manager. Ist das auch okay?
Hück: Zu dem, was wir im Aufsichtsrat damals beschlossen haben, stehe ich. Die Arbeit des Herrn Wiedeking hat sich für die Belegschaft ohne jede Frage gelohnt. Viele Konzerne streichen Arbeitsplätze. Wir stellen neue Leuteein. Wir haben einen Standortsicherungsvertrag, dem zufolge ein großer Teil der Gewinne als Investitionen in die Werke fließt. Und wir haben eine Gewinnbeteiligung für die Arbeitnehmer. Wofür sollten wir uns verprügeln lassen?
SPIEGEL: Vor allem VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh schlägt munter auf Porsche ein, weil im Betriebsrat der neuen Porsche-Holding 20 Vertreter von Porsche und 20 für den 30-mal größeren VW-Konzern sitzen sollten. Kön- nen Sie das nicht nachvollziehen?
Hück: Ich habe Bernd Osterloh schon gesagt, dass das nicht richtig war. Wenn er in der Porsche-Holding 34 Be- triebsräte braucht, dann bekommt er 34.
SPIEGEL: Wo liegen denn dann noch die Knackpunkte?
Hück: Das Problem ist, dass es ständig neue Knackpunkte gibt. Wir waren schon oft ganz nah an einer Lösung, aberdann kam immer noch eine Nachforderung. Es sieht gerade danach aus, als würde jemand im Hintergrund alles tor- pedieren, weil er keine Einigung will.
SPIEGEL: Wer sollte denn der Dunkelmann sein, der frühere IG Metall-Chef und VW-Aufsichtsrat Jürgen Peters etwa?
Hück: Ich glaube, Jürgen Peters will keine Einigung. Es geht um Machtspiele. In der IG Metall muss deshalb geklärt werden, wer jetzt bei den Verhandlungen dazustößt. Wenn man Jürgen Peters dafür braucht, soll er dazukommen. Dann müsste aber auch Berthold Huber als amtierender Vorsitzender der IG Metall mit an den Verhandlungstisch. Und ich möchte, dass auch die Konzernbetriebsräte von VW und die Betriebsräte der VW-Standorte dabei sind. Das wurde bislang abgelehnt.
SPIEGEL: Der VW-Betriebsrat droht damit, eine neue Klage einzureichen, wenn Porsche seinen VW-Anteil auf 51 Prozent erhöht. Sollte er recht bekommen, müsste die ganze Mitbestimmungsvereinbarung noch einmal neu ver- handelt werden. Was machen Sie dann?
Hück: Ich bin überzeugt davon, dass er damit scheitern wird, so wie er bisher vor Gericht schon zweimal gescheitert ist. Für mich gilt: Wir müssen das Problem am Verhandlungstisch lösen. Ich werde meinen Teil dazu beitragen und Kompromisse eingehen. Denn ich möchte mit den Kollegen von VW gut und professionell zusammenarbeiten.
SPIEGEL: Ist das nicht vor allem deshalb so schwierig, weil VW-Betriebsräte fürchten, Porsche könnte den VW-Konzern nur noch auf Profit trimmen, unrentable Marken und Werke einfach schließen?
Hück: Wie kommen die auf so etwas? Wir haben in Deutschland, in Leipzig, eine neue Fabrik gebaut. Und wir haben seit 1994 die Belegschaft verdoppelt. Das finden Sie in der Autoindustrie so schnell nicht wieder.
SPIEGEL: Vielleicht rührt das Misstrauen auch daher, dass man Ihnen eine zu große Nähe zum Porsche-Chef nach sagt. VW-Betriebsräte erwecken den Eindruck, Sie schlügen geradezu die Hacken zusammen, wenn Herr Wiedeking etwas wolle.
Hück: So was ärgert mich granatenmäßig. Ich war gestern beim Thaiboxen. Wer mir vorwirft, ich sei ein Weichei, der sollte mal mit mir in den Ring steigen. Ich kämpfe für die Mitarbeiter. Wir haben gerade den Entgelt-Rah- mentarifvertrag bei Porsche ohne Lohnsenkungen durchgesetzt, das gilt auch für neueingestellte Mitarbeiter, und die Lohnsumme wurde sogar erhöht. Das gibt es in der Metallindustrie sonst kaum. Wenn Sie das als „Hackenzu- sammenschlagen vor Wiedeking“ bezeichnen, dann schlage ich die Hacken gern zusammen.
DER SPIEGEL 32/2008, Seite 64 (Erscheinungsdatum: 3.8.2008)