Erstmals Negativ-Zinsen in Deutschland. Bei der Auktion der Geldmarktpapiere mit sechsmonatiger Laufzeit fiel der Zins auf minus 0,0122 Prozent. Dies ist ein eindeutiges Warnsignal einer heraufziehenden Deflation. Niemals zuvor gab es in Deutschland Negativ-Zinsen.
von Michael Mross
Der Mainstream amüsiert sich darüber, dass Deutschland beim Schuldenmachen nicht Zinsen zahlen muss, sondern sogar noch eine Prämie erhält. So schreibt beispielsweise Reuters: "Dem deutschen Staat ist ein bislang einmaliges Kunststück gelungen: Er verdient Geld beim Schuldenmachen."
Ein Kunstück gelungen? Dümmer geht's nimmer. Eine solche Interpretation der weltgrößten Nachrichtenagentur ist der Gipfel der Inkompetenz und zeigt in aller Deutlichkeit die Qualität des deutschen Wirtschaftsjournalismus. Ganz sicher ist es nicht Deutschland zu verdanken, und noch lange kein "Kunststück", dass internationale Anleger ein Minusgeschäft machen, wenn sie dem hochverschuldeten Berlin Geld geben. Es ist vielmehr ein unübersehbares Alarmzeichen!
Jemanden Geld leihen und dafür noch zahlen? Ist damit etwa die Schuldenkrise gelöst? Mit Sicherheit nicht. Es ist ein unübersehbares Warnsignal, welches so von den Märkten noch nicht entsprechend interpretiert worden ist. Doch die bittere Konsequenz dieser Situation wird nicht lange auf sich warten lassen.
Negativ-Zinsen sind historisch sehr selten, in Deutschland einmalig und deuten auf einen deflatorischen Schock hin. Es ist gleichermaßen ein Zeichen, dass das Ende des Euros unmittelbar bevorsteht: Investoren sind bereit, Deutschland Geld zu geben und dabei einen Verlust hinzunehmen. Gleichzeitig werden alle Länder der Eurozone gemieden, was den Stress innerhalb der Gemeinschaftswähung in Kürze auf einen Höhepunkt treiben wird.
Ein deflatorische Kontraktion ist Gift für die Banken, weil die Schulden der Finanzinstitute dann uneinbringbar werden. Dies ist auch der Grund, warum Bankenkurse in letzter Zeit nur eine Richtung kannten: nach unten. Besonders krass und bedrohlich ist dabei die Kursentwicklung der Commerzbank. Das Haus gilt als Lackmustest in Sachen Bankenkrise.
Bei der Auktion deutscher Geldmarktpapiere mit sechsmonatiger Laufzeit fiel der Zins auf minus 0,0122 Prozent, teilte die mit dem Schuldenmanagement betraute Finanzagentur mit. "Das hat es bislang noch nie gegeben", sagte ein Sprecher zu Reuters. "Die Anleger bezahlen eine gewisse Prämie dafür, dass sie dem deutschen Staat Geld leihen."
Der Bund sammelte am Montag 3,9 Milliarden Euro bei Anlegern ein. Anders als üblich musste er die Investoren dafür nicht mit Zinsen belohnen, sondern streicht nach Reuters-Berechnungen eine Prämie von rund 242.000 Euro von den Anlegern ein. Deutschland profitiert damit von der Schuldenkrise, deretwegen Investoren auf der Suche nach sicheren Anlagen auf Rendite verzichten - so die Interpretation von Reuters.
Kontrollverlust der Notenbanken
Negativ-Zinsen kommen historisch nur sehr selten vor und sind immer die Vorboten einer Deflation. So deutet dieses Phänomen darauf hin, dass die Notenbanken die Geld(mengen)steuerung aktuell nicht unter ihrer Kontrolle haben und dass normalerweise zur Verfügung stehende Instrumentarium der Beeinflussung stumpf geworden ist. Dies wiederum ist eine brandgefährliche Entwicklung, da das Geldsystem auf Expansion angewiesen ist. Ein Schrumpfung würde unweigerlich unkontrollierbarere Kontraktionsprozesse auslösen mit Staatsbankrotten, Bankenbankrotten, Unternehmensbrankrotten.
Angesichts dieser Entwicklung, welche die Notenbanken - zumindest derzeit - offenbar nicht ernsthaft bekämpfen können, werden tendenziell die Mittel der Investoren für riskantere Anlagegeschäfte zurückgehen und mit ihnen auch die Aktienkurse und die Börsen weltweit. Edelmetallpreise und Gold könnten hingegen auch in so einem Klima zulegen, wenn die Angst vor dem Zusammenbruch der strukturellen Integrität des Systems zunimmt, wie in den vergangenen Tagen zu sehen.