Die Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in Sachen Target-2 wurde von Prof. Schünemann erweitert. Die Frage lautet nun: Könnten auch die Mitglieder der Bundesregierung für die Target-2-Risiken strafrechtliche Verantwortung tragen? Könnten frühere Vorstände der Bundesbank wegen Unterlassung gebotener Nichtigkeitsklagen verantwortlich sein (Anfangsverdacht einer Untreue)?
Von Professor Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Schünemann, Universität München
Mit dem Urteil vom 12.09.2012 zum ESM-Vertrag hat das Bundesverfassungsgericht versucht, die Haftung Deutschlands aus seiner Beteiligung an dieser supranationalen Bank auf 190 Mrd. € zu begrenzen. Der Betrieb der ESM-Bank selbst wurde nicht gestoppt. In der Öffentlichkeit ist weitgehend unbekannt, dass Deutschland parallel zur ESM-Haftung über das Target-2-System längst weiteren riesenhaften Haftungsrisiken ausgesetzt ist, die diese 190 Mrd. € inzwischen weit übersteigen und niemals vom Bundestag genehmigt wurden. Wegen des Target-2-Komplexes hat der Verfasser am 11.04.2012 gegen Vorstände der Bundesbank wegen Verdachts der Untreue Strafanzeige gestellt und diese zwischenzeitlich am 17.09.2012 fortgeschrieben und erweitert. Nachstehend werden die hierfür maßgeblichen Gründe in konzentrierter Form der Öffentlichkeit unterbreitet, da die Target-2-Problematik inzwischen nicht nur den wirtschaftlichen Bestand Deutschlands gefährdet, sondern auch die Verfassungsprinzipien der Währungsstabilität und der Budgethoheit des Bundestages beeinträchtigt und dadurch ein überragendes Informationsinteresse aller Bürger begründet. Es geht um folgende Punkte:
I. Könnten auch die Mitglieder der Bundesregierung für die Target-2-Risiken strafrechtliche Verantwortung tragen?
II. Welche Folgen haben zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen politischer und wirtschaftlicher Art auf die Strafanzeige vom 11.04.2012?
III. Könnten frühere Vorstände der Bundesbank wegen Unterlassung gebotener Nichtigkeitsklagen verantwortlich sein (Anfangsverdacht einer Untreue)?
I.
Konsequenzen aus einer Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.06.2012 in Richtung der Mitglieder der Bundesregierung
1.
Bislang wurde die Strafanzeige vom 11.04.2012 auf die verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbank (BuBa) beschränkt und auf den Verdacht gestützt, dass diese die Bundesregierung über die Folgen der Absenkung der Sicherheiten im Target-2-System nicht hinreichend aufgeklärt hätten, wozu sie verpflichtet waren. Daraus ergebe sich ein Anfangsverdacht der Untreue. Die Vorstände der Bundesbank dürften gewusst haben, welche negativen Folgen im Target-2-Mechanismus die Sicherheiten-Herabsetzung (durch die EZB) auf das Vermögen der Bundesbank hatte. Diese Kenntnis könne bei den Mitgliedern der Bundesregierung nicht generell erwartet werden.
Der Vorstand der Bundesbank habe die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der zunehmend riesigeren Target-2-Salden bis ins Frühjahr 2011 heruntergespielt. Diese im Target-System steckenden Sprengsätze (resultierend aus der hohen Verschuldung der PIIGS-Staaten) seien erst durch den neuen Vorsitzenden Dr. Weidmann anerkannt worden. Hingegen sei in der Verlautbarung des Bundesfinanzministeriums vom 20. März 2012 die verharmlosende Darstellung der Targetsalden fortgesetzt worden.
Die Staatsanwaltschaft hat einen Anfangsverdacht bezüglich Untreue nicht prinzipiell verneint, sondern offengelassen, ob entweder
a) der damalige Bundesbank-Vorstand durch unzulängliche Unterrichtung oder
b) Regierungsmitglieder durch Untätigkeit trotz Aufklärung als Täter in Betracht kämen,
und wegen dieser offenen Frage einen Anfangsverdacht speziell gegen den früheren BuBa-Vorstand für nicht gegeben gehalten.
Daraus wäre aber eigentlich die zwangsläufige Folgerung zu ziehen, dass bei (unterstellt) vollständiger Aufklärung der Bundesregierung durch die Bundesbank die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder der Bundesregierung geprüft und ggf. die Aufhebung von deren parlamentarischer Immunität (soweit vorhanden) geprüft werden müsste. Auch hier ginge es also wieder um den Anfangsverdacht einer Schädigung der Bundesbank (via Target-2-Mechanismus) wegen Nichtanfechtung der EZB-Sicherheiten-Herabsetzung (§ 152 Abs. 2 StPO)
2.
Diesbezüglich eine förmliche (weitere) Strafanzeige zu stellen, erübrigt sich: a) Dem bisherigen Verdacht, die Bundesregierung sei durch den damaligen Bundesbank-Vorstand unzulänglich beraten worden, muss durch förmliche Ermittlungen weiter nachgegangen werden. b) Die Ermittlungsverpflichtung hinsichtlich des von der Staatsanwaltschaft erwogenen weiteren Vorwurfs der Untätigkeit der aufgeklärten Bundesregierung ergibt sich (auch ohne ausdrücklichen Strafantrag) aus dem die Staatsanwaltschaft bindenden Legalitätsprinzip.
3.
Für den Fall einer Anzeige gegen die Mitglieder der Bundesregierung wurde von der StA Frankfurt die Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Berlin in Erwägung gezogen.
Dem ist zu widersprechen: Sitz der Deutschen Bundesbank ist Frankfurt. Dort wird der voraussichtlich riesige Vermögensschaden in Gestalt des überwiegenden Ausfalls der uneinbringlichen Target-2-Forderungen der Bundesbank eintreten. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Frankfurt auch für nicht in Frankfurt ansässige oder handelnde Beschuldigte (hier: die Mitglieder der Bundesregierung) gem. §§ 9 Abs. 1 StGB, 7 StPO unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsortes der Tat. Die Ermittlungen erfordern hinsichtlich der Einzelheiten des Vermögensschadens ohnehin eine Sichtung der in den Räumen der Bundesbank in Frankfurt verfügbaren Unterlagen und auch Zeugenvernehmungen der Bundesbank-Mitarbeiter. Ferner käme die Frankfurter Zuständigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme gem. § 9 Abs. 2 StGB in Betracht.
Damit liegt der Schwerpunkt des ganzen Verfahrens offensichtlich in Frankfurt am Main. Die Verfahrensabgabe an die Staatsanwaltschaft Berlin würde zumindest erhebliche Hemmungen und Verzögerungen bewirken und damit gegen das heute allseits als grundlegend anerkannte Interesse an Verfahrensbeschleunigung verstoßen, was nicht akzeptiert werden könnte.
II.
Die weitere Verstärkungen des Verdachts und des dringenden öffentlichen Interesses an einem wirksamen Einschreiten der Ermittlungsbehörden durch die zwischenzeitliche Entwicklung
Seit Erstattung der Strafanzeige (11.04.2012) ist der Schaden weiter angewachsen. Inzwischen haben die heutigen Verantwortlichen zunehmend eingeräumt, dass die Haftungserweiterung für - ganz oder teilweise ausfallende - Schulden der GIIPS-Staaten gestoppt werden muss, es sei denn, diese wird vom Deutschen Bundestag genehmigt. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Grundsatz in seinem ESM-Urteil vom 12.09.2012 nochmals nachdrücklich unterstrichen.
1.
Die Forderungen der Bundesbank aus dem Target-2-System (auch T2-System genannt) sind erneut angestiegen und belaufen sich im Monat August 2012 auf über 751 Mrd. €. Sie haben sich also grob gerechnet in diesem Jahr von einer 1/2 Billion auf eine 3/4 Billion € erhöht. Das ist sage und schreibe das 2 ½-fache eines ganzen Bundeshaushalts (rund 300 Mrd. €).
Damit hält die Deutsche Bundesbank nahezu 75% aller Target-2-Forderungen der „Nordstaaten“ (derzeit über 1 Billion €) gegen die entsprechend verschuldeten „Südstaaten“.
Wie die FAZ am 10.09.2012 zutreffend schreibt, werden so die Krisenländer finanziert - die immer noch mehr einführen als sie ausführen -, und zugleich wird die Kapitalflucht aus diesen Krisenländern befeuert. Hierdurch werden, wie fast jeden Tag zu lesen ist, durch die Bundesbank über das T2-System in Deutschland enorme Investitionen von Ausländern (namentlich im Berliner und Münchner Immobilienbereich) bezahlt. Das Eigentum an diesen BuBa-finanzierten werthaltigen Investitionen geht auf die Investoren über. Die Bundesbank erhält zum „Ausgleich“ ihrer Zahlung lediglich eine Papier-Forderung gegen das EZB-System (= ESCB, European System of Central Banks). Direkte Sicherheiten an den von ihr finanzierten Werten erhält die Bundesbank also nicht. Damit sinkt der Wert ihrer „Ausgleichsforderung gegen das ESCB-System“ jeweils genau in dem Umfang, in dem die EZB ihrerseits die Sicherheitenanforderungen für Kreditnahme (= negative T2-Saldenüberziehung) durch die schwachen Euroländer absenkt oder gar ganz aufhebt. Für die Bundesbank wurde dadurch ein geradezu tödlicher finanzieller Zahlungsautomatismus in Gang gesetzt.
So werden die fortwährend weiter auflaufenden T2-Forderungen der Bundesbank (und der anderen Notenbanken der „Nordländer“) gegen die EZB (= T2-Clearing-Stelle) allenfalls durch die von den Notenbanken der „Südländer“ bei der EZB hinterlegten (schwachen) Sicherheiten papiermäßig (nicht wertmäßig!) „ausbalanciert“. Und genau um deren (weitere) Absenkung und die dadurch bewirkte fortlaufende Entwertung der Forderungen der Bundesbank geht es im vorliegenden Verfahren.
Bei einem Grundkapital von lediglich 2,5 Mrd. € (§ 2 Satz 2 BBankG) könnte die Geschäfts-führung eines privaten Unternehmens, die die Entstehung einer zweifelhaften Forderungs-position von sage und schreibe 750 Mrd. € zulässt, nur als frivol bezeichnet werden. Alleine der Schuldner Griechenland steht mit über 100 Mrd. € Targetschulden permanent vor dem Staatsbankrott, der nur durch „Notkredite“ immer wieder kurzfristig abgewendet werden kann. Hier steht der nächste Schuldenschnitt schon vor der Tür. Bei dieser Sachlage hätte die Bundesbank als „bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts“ (§ 2 Satz 1 BBankG) die eingetretene Entwicklung (ihre eigene Plünderung) nicht widerstandslos hinnehmen dürfen.
2.
Im Monatsbericht August 2012 führt die Bundesbank dazu folgendes aus:
„Um die Kreditvergabe der Banken an den nicht-finanziellen Privatsektor zu stützen, beschloss der EZB-Rat im 2. Quartal weitere Lockerungen bei den Anforderungen an Sicherheiten, die von den Notenbanken des Euro-Systems im Rahmen der Refinanzierungsgeschäfte beliehen werden können. Von der Hellenischen Republik begebene oder marktfähige Schuldtitel sind dagegen mit Ablauf der in Form eines Rückkaufprogramms bereitgestellten Absicherung am 25. Juni 2012 bis auf weiteres nicht mehr als Sicherheiten für geldpolitische Geschäfte zugelassen, da sie den Bonitätsschwellenwert des Euro-Systems für marktfähige Sicherheiten nicht erfüllen. Der griechische Finanzsektor bekommt allerdings weiterhin umfangreiche Liquiditätshilfen über die griechische Notenbank zur Verfügung gestellt.“
Damit bestätigen sowohl die Bundesbank wie auch die EZB, dass die T2-Forderungen der Bundesbank gegen die EZB selbst keine vollständige Bonität besitzen, da sie auf ebenso bonitäts-schwachen Forderungen der EZB gegen Griechenland beruhen bzw. die griechische Notenbank bei T2-Schulden von 100 Mrd. € zusätzlich und weiterhin Geld aus dem Nichts schöpft.
Diese durch die EZB damit auch für die Vergangenheit bestätigte fehlende Bonität (wegen minderer oder fehlender Sicherheiten) ihrer Target-2-Forderung gegen (u.a.) die griechische Notenbank schlägt voll auf die Bundesbank durch. Jede Vermögensgefährdung und jeder Forderungsausfall der EZB trifft über das ESCB-System und den Target-2-Mechanismus unmittelbar die Bundesbank mit (mindestens) 28%, denn in dieser Höhe ist sie am ESCB-System mit Gewinn und Verlust beteiligt.
Allein im Falle der Target-2-Salden Griechenlands bedeutet dies - deren vollständigen Ausfall unterstellt - eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der Bundesbank von (mindestens!) 28 Mrd. €. Damit erübrigt es sich, näher auf die Frage einzugehen, wie es mit der Bonität der EZB-Forderungen gegen weitere „Südländer“ bestellt ist, die, wie beispielsweise Spanien, mittlerweile Verbindlichkeiten von über 400 Mrd. € ausweisen und gegenwärtig allein zur Sanierung ihrer Banken europäische Kredite in einer Größenordnung von bis zu 200 Mrd. € benötigen. Dies sind offenkundige und deshalb nicht weiter beweisbedürftige Vorgänge.
Und zu der behaupteten „Alternativlosigkeit“ des ESM zur finanziellen Rettung von „Südstaaten“ und des gesamten Eurosystems ist inzwischen die nach oben unbegrenzte Ankaufsstrategie von Staatsanleihen durch die EZB hinzugetreten, die vom jetzigen Bundesbank-Präsidenten Dr. Weidmann hart kritisiert wird. Durch diese „Bazooka-Strategie“ wird vollends evident, dass die T2-Schuldnerländer das notwendige Kapital für Rückführung ihrer über das T2-System aufgenommenen Kredite am freien Markt nicht mehr auftreiben können. Da die Gläubiger jedoch auf Rückzahlung bestehen, stellt die EZB dieses fehlende Geld den „Südländern“ im Rahmen ihrer „unbegrenzten Ankaufstrategie“ gegen deren weitgehend wertlose „Pseudo-Sicherheiten“ zur Verfügung und betreibt so im Ergebnis – mit mühsam bemäntelter Zustimmung der Bundesregierung - die ihr absolut verbotene Staatsfinanzierung.
3.
Gesetzlicher Auftrag der Staatsanwaltschaft ist nicht die Gewinnung des Zuspruchs der Bevölkerung für eine bestimmte Regierungspolitik, sondern die materielle Wahrheitsfindung.
Unbestreitbar scheint Folgendes zu sein: Das Target-2-System, ursprünglich als bloßes grenzüberschreitendes Euro-Zahlungs-Verrechnungssystem geplant, ist nach diversen EZB-Beschlüssen zur Absenkung des Sicherheiten-Niveaus, faktisch längst in einen Target-2-Rettungsschirm verwandelt worden. Dieser hat es den „Südländern“ ermöglicht, den chronisch defizitären Wirtschaftsverkehr ihrer Volkswirtschaften mit den „Nordländern“ aufrecht zu erhalten. Letztlich wurde ihr Leistungsbilanzdefizit über ständig auflaufende T2-Schulden ihrer Notenbanken bei der EZB „refinanziert“. Die EZB und die Regierungen der Euro-Länder haben dieser Entwicklung zu Lasten insbesondere der Bundesbank tatenlos zugesehen.
Die sich daraus ergebenden Forderungen der Bundesbank, die mittlerweile das 2 ½-fache Volumen des Bundeshaushalts ausmachen, können von keinem Schuldnerland mehr erfüllt werden. Schon die Fortführung des Target-2-Systems setzt voraus, dass den sonst unmittelbar vom Staatsbankrott bedrohten Schuldnerländern permanent weitere Kredite zugeführt werden. Dies wird alsbald über den ESM geschehen und geschieht schon heute über die „Bazooka-Strategie“ der EZB: Diese notwendigen weiteren Kredite an die „Südländer“ erzeugt die EZB de facto durch Schaffung von Geld aus dem Nichts mittels Einsatzes der Notenpresse. Dies erhöht die umlaufende Geldmenge bei gleichbleibendem Warenangebot. Die Folge ist zwangsläufig Inflation, die soeben auch von der Deutschen Bank als unabweisbar bezeichnet worden ist.
4.
Vergleicht man die Situation der BuBa nach Einrichtung des faktischen Target-2-Rettungsschirms mit der eines Privatgläubigers, ergibt sich Folgendes: Ein Staatsbankrott der großen T2-Schuldnerländer und damit der vollständige Verlust der BuBa-T2-Forderungen kann nur abgewendet werden, indem den Schuldnerländern neue, höhere Kredite gewährt werden. Diese können vom Schuldner ebenso wenig wie die alten Kredite zurückgeführt werden. Das führt zwangsweise dazu, dass deren „langfristige Rückführung“ papiermäßig in der Weise erfolgt, dass die zukünftig fehlende Liquidität über die Notenpresse (ungedecktes Gelddrucken aus dem Nichts) geschaffen und in nach oben hin unbegrenzter Höhe zur Verfügung gestellt wird. So wird letztlich der Schuldenstand mit einer Inflation bereinigt. Der heutige/sofortige Kollaps des Schuldners kann also nur durch weitere Vermögensopfer abgewendet werden. Dies ist das klassische Kennzeichen einer nicht mehr vollwertigen Forderung und damit eines Vermögensschadens des Gläubigers, hier der Bundesbank.
Die Inkaufnahme derartiger Vermögensopfer darf nur vom Deutschen Bundestag und nur in einer zuvor festgelegten begrenzten Höhe rechtswirksam beschlossen werden. Das ergibt sich aus der ständigen und neuerdings im ESM-Urteil abermals bekräftigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Erhalt des Euro-Systems könnte - unter enormen und letztlich von allen deutschen Bürgern aufzubringenden Vermögensopfern - Ziel einer deutschen Politik sein, etwa um die europäische Fiskalunion voran zu treiben oder als eine Wiedergutmachung der von Deutschland durch das nationalsozialistische Regime ausgegangenen Zerstörungen.
Eine politische Entscheidung, um solcher Ziele willen bewusst Vermögensschäden in Kauf zu nehmen, kann aber in rechtmäßiger Weise nur von dem dafür zuständigen Organ getroffen werden und damit nicht von der Bundesregierung, geschweige denn vom Bundesbank-Vorstand, sondern nur von dem die Budgethoheit ausübenden Deutschen Bundestag.
Und selbst dieser darf eben derartige Entscheidungen nur in einer genau fixierten Höhe und Begrenzung treffen und nicht etwa anderen Personen die maßgebliche Bestimmung der Schädigungshöhe überlassen. Es kommt hinzu, dass eine auf spätere Inflation abzielende Schädigung der Deutschen Bundesbank (und damit der Bundesbürger!) auch deshalb untersagt ist, weil deren verfassungsrechtliche Verpflichtung auf die Erhaltung der Geldwertstabilität völlig eindeutig ist (Art. 88 Satz 2 GG). Das BVerfG hat das in einer nicht abreißenden Kette von Entscheidungen seit dem Maastricht-Urteil unterstrichen, und dies ist gerade auch in den letzten Monaten von Bundesbankpräsident Dr. Weidmann immer wieder bekräftigt worden.
Die Umfunktionierung des Target-2-Systems in einen unbegrenzten Target-Rettungsschirm bedeutet also, zur „Verprobung“ in eine private Rechtslage übertragen, folgendes:
Der ungetreue Prokurist eines Wirtschaftsunternehmens erteilt - unter Überschreitung seiner Kompetenzen - dritten Personen eine unbegrenzte Abbuchungsvollmacht, wobei er weiß, dass diese davon in exzessiver Weise zum Schaden seines eigenen Unternehmens Gebrauch machen werden, indem sie kraft dieser Abbuchungsvollmacht aus dem Unternehmen des Prokuristen 750 Mrd. € zu Lasten der Kapitaleigner herausbrechen.
Auch wenn es im Fall der Bundesbank nur um ein Unterlassen der möglichen Gegenwehr gegen die Usurpierung einer solchen Abbuchungsvollmacht geht, so wäre dieses doch begehungsgleich gewesen, indem es exakt diese Konsequenzen (also die Plünderung der Bundesbank um über 750 Mrd. €) nicht verhindert hat.
5.
Dass in Wahrheit auch die verantwortlichen Personen, insbesondere der jetzige Bundesbank-Präsident, die Situation ganz genau so sehen, lässt sich an vielen Äußerungen belegen, auch wenn die offizielle Politik in Gestalt des Bundesfinanzministers immer wieder versucht, diese Konsequenzen herab zu spielen. So hat Bundesbank-Präsident Dr. Weidmann, wenn auch vergeblich, die Politik der EZB zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen notleidender Staaten zu verhindern versucht.
Hätte die Staatsanwaltschaft durch die förmliche Aufnahme von Ermittlungen den Verantwortlichen beizeiten klar gemacht, dass es hier nicht um eine Frage politischer Opportunität sondern um rechtliche Notwendigkeit geht, wäre der zwischenzeitlich eingetretene Schaden möglicherweise oder gar wahrscheinlich durch entsprechende tatsächliche Reaktionen der Politik begrenzt worden.
Die grundsätzlich präventive Ausrichtung des Ermittlungsverfahrens ist vom Gesetzgeber anerkannt worden. Gerade wenn wie hier der Schaden unablässig weiter steigt, hat die Pflicht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens also auch die Aufgabe, den Beschuldigten wenigstens dazu zu motivieren, eine unablässige weitere Ausweitung des Schadens tunlichst zu verhindern. Der jetzige Bundesbank-Präsident Dr. Weidmann hat ja auch mehrfach die EZB zur Wiederherstellung der alten Sicherheitslage aufgefordert. Bei Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens würde deshalb zumindest eine reelle Aussicht auf die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV bestehen.
6.
Durch die allerneueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem ESM-Urteil vom 12.09.2012 ist abermals bekräftigt worden, dass es allein dem Bundestag zusteht, über Vermögensopfer zur Verteidigung des Euro zu beschließen, und zwar der Höhe nach limitiert und ohne Automatismus, durch den andere Personen die Bundesrepublik zu Zahlungen verpflichten können. Im Grunde braucht hier nur ein einziger Satz beachtet zu werden, der sich am Ende von Randnummer 211 des BVerfG-Urteils zum ESM findet:
„Würde über wesentliche haushaltspolitische Fragen ohne konstitutive Zustimmung des Bundestages entschieden oder würden überstaatliche Rechtspflichten ohne entsprechende Willensentscheidung des Bundestages begründet, so geriete das Parlament in die Rolle des bloßen Nachvollzuges und könnte die haushaltspolitische Gesamtverantwortung im Rahmen seines Budgetrechts nicht mehr wahrnehmen.“
Genau diese Situation ist aber im T2-System eingetreten, indem EZB-Entscheidungen über die Herabsetzung der Sicherheitenanforderungen nicht vor dem EuGH angefochten worden sind.
Dadurch ist die Bundesbank gezwungen worden, 750 Mrd. € für Transaktionen der „Südländer“ auszugeben, und hat dafür allenfalls zweifelhafte Rückgriffansprüche gegen das EZB-System erhalten. Schon bei Ausfall Griechenlands wäre der Bundestag gezwungen, die Bundesbank in einer Größenordnung von 25 Mrd. € zu rekapitalisieren.
Dass die Umfunktionierung des Target-Systems in einen faktischen Target-Rettungsschirm die Budgetverantwortung des Bundestages fortlaufend in massivster Weise beeinträchtigt, zeigt schon die Größenordnung, um die es geht:
Das BVerfG verwendet in seinem Urteil vom 12.09.2012 sehr viel Mühe darauf, eine Limitierung des deutschen Risikos über den ESM in Höhe von 190 Mrd. € verbindlich zu garantieren. Was nützt das, wenn zeitgleich über das Target-2-System 750 Mrd. €, also die 4-fache Summe dessen bereits ungehemmt abgeflossen ist, die zukünftigen T2-Salden weiter unlimitiert ansteigen können und der Bundestag hierzu niemals befragt wurde bzw. befragt wird.
Bei Erstattung der Strafanzeige am 11.04.2012 betrug der Saldo noch 615 Mrd. €, ist also seither um einen Betrag von 135 Mrd. € angewachsen, der allein schon 2/3 der maximalen Haftungssumme Deutschlands für den ESM ausmacht. Erst wenn die Staatsanwaltschaft die ihr kraft des Legalitätsprinzips zur Pflicht gemachte repressive Verfolgung der damaligen Versäum-nisse ernst nimmt, wird auch die damit nach dem Willen des modernen Gesetzgebers verbundene präventive Komponente wirksam werden können!
III.
Der Verdacht einer Untreue der verantwortlichen Vorstandsmitglieder durch Unterlassung eigener Nichtigkeitsklagen
1.
Die Strafanzeige ist auf den Verdacht einer Untreue gestützt worden. Die Unrechtsmaterie besteht darin, dass die Bundesregierung gegen die von der EZB veranlasste Absenkung der Sicherheitenanforderungen im Target-System keine Nichtigkeitsklagen erhoben hat (Art. 263 Abs. 2 AEUV).
Jeder Euro-Mitgliedstaat kann, wenn es um die Rechtmäßigkeit von Handlungen der EZB geht, den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen, wenn die EZB Verträge oder Rechtsnormen verletzt oder ihr Ermessen missbraucht.
2.
Unbeschadet dessen besteht aber auch ein Verdacht, dass die damaligen Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbank auch dadurch den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllt haben könnten, dass sie es unterlassen haben, namens der Bundesbank eigene Nichtigkeitsklagen vor dem EuGH gegen die Herabsetzung der Sicherheiten (durch Verordnung der EZB vom 23.10.2008 und die Beschlüsse der EZB vom 06.05.2010, 31.03.2011 und 07.07.2011) gem. Art 263 Abs. 4 AEUV zu erheben.
Begründung:
a)
Die Bundesbank hatte nach Art. 263 Abs. 4 AEUV auch als nicht-privilegierte Klägerin ein eigenes Klagerecht gegen die genannten Entscheidungen. Die Bundesbank ist durch die Absenkung der Sicherheiten unmittelbar und individuell betroffen worden.
b)
Dass die Bundesbank im ESCB-System der EZB untergeordnet ist, steht dem nicht entgegen: Der Schutz des selbständigen Vermögens der Bundesbank rechtfertigt die Anwendbarkeit des Art. 263 Abs. 4 AEUV.
aa)
Die Bundesbank ist nach § 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt. Sie ist juristische Person des deutschen öffentlichen Rechts (§ 2 S. 1 Bundesbankgesetz) und übt deutsche Staatsgewalt aus.
Gem. § 2 S. 2 des BBankG besitzt die Bundesbank – ähnlich wie eine Aktiengesellschaft - ein Grundkapital, das 2,5 Mrd. € beträgt. Sie besitzt ein Rechnungswesen, das den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechend hat (§ 26 Abs. 2 S. 1 BBankG). Gem. S. 3 von § 26 Abs. 2 sind grundsätzlich die Wertansätze des Handelsgesetzbuches für Kapitalgesell-schaften entsprechend anzuwenden, und gem. S. 4 sind Passivposten für allgemeine Wagnisse im In- und Auslandsgeschäft zu bilden, sofern dies im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für zulässig gehalten wird. Nach § 27 BBankG ist der Gewinn - nach Rücklage - an den Bund abzuführen.
bb)
Die Bundesbank wird also, neben ihrer Eingliederung in das Europäische System der Zentralbanken (ESCB), quasi wie ein normales Wirtschaftsunternehmen geführt, das den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen hat und möglichst einen Gewinn erzielen soll, der an den Bund abzuführen ist.
Indem nun die EZB durch ihre Beschlüsse den grenzüberschreitende Zahlungsverkehr über das Target-2-System so ausgestaltet hat, dass einzelne (schwache) nationale Zentralbanken ohne Hinterlegung ausreichender Sicherheiten andere (starke) Zentralbanken zu Auszahlungen im automatisierten Zahlungsverkehr zwingen können, wird damit eo ipso in das Vermögen der betroffenen (starken) Zentralbanken eingegriffen und dieses fortlaufend massiv gefährdet.
cc)
Hieraus ergibt sich unmittelbar die Klagebefugnis der Bundesbank gegen die Verordnung (EG) Nr. 1053/2008 der EZB vom 23.10.2008, mit der die erstmalige und entscheidende Absenkung der Sicherheiten anordnet wurde (Verordnung über zeitlich befristete Änderungen der Regelungen hinsichtlich der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten. [Amtsblatt L 282/17 vom 25.10.2008]).
In dieser ist (a.a.O., Nr. 3 der vorangestellten Gründe) selbst ausgeführt, dass zur „befristeten Verbesserung der Liquiditätsbereitstellung an Geschäftspartner für geldpolitische Operationen des Euro-Systems“ auf eine Verordnung zurückzugreifen sei, die keine weiteren Durchführungsmaßnahmen der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten erfordert.
Wegen der Automatisierung des grenzüberschreitenden Abrechnungsverkehrs innerhalb des Target-2-Systems ist aber das Vermögen der Bundesbank bereits durch die Herabstufung der notwendigen Sicherheiten unmittelbar betroffen, weil damit anderen Notenbanken die Rechtsmacht eingeräumt wird, ohne Gestellung ausreichender Sicherheiten direkt auf das Vermögen der Bundesbank zuzugreifen.
dd)
Für die weiteren EZB Beschlüsse gilt nichts anderes. Durch die Herabstufung der von den (schwachen) Notenbanken zu stellenden Kreditsicherheiten und dem dadurch entsprechend erweiterten, automatisierten Kreditzugriff anderer nationaler Notenbanken auf das Vermögen der Deutschen Bundesbank, sind die Voraussetzung von Art. 263 Abs. 4 AEUV erfüllt und die Deutsche Bundesbank ist hierdurch „unmittelbar und individuell betroffen“ worden.
3.
Daraus folgt, dass die Bundesbank – neben der Bundesrepublik als privilegierter Klägerin - auch selbst befugt gewesen wäre, gegen die EZB eine Nichtigkeitsklage beim EuGH zu erheben: Diese hat das Vermögen der Bundesbank schädigende und die Europäischen Verträge verletzende Rechtsakte erlassen. Es stand auch in der Machtbefugnis der Bundesbank, diese Klage zu erheben, und zwar ohne Rücksicht auf eine etwa andere oder gar entgegengesetzte politische Einstellung der Bundesregierung.
Gem. § 7 Bundesbankgesetz war der Vorstand als Leitungs- und Verwaltungsorgan der Bundesbank für die Entscheidung über die Erhebung der Nichtigkeitsklagen gegen die die Bundesbank schädigenden Beschlüsse der EZB zuständig. Da derartige Klagen nicht erhoben worden sind, ist davon auszugehen, dass bundesbankintern eine Beschlussfassung stattgefunden hat, solche Klagen nicht zu erheben. Wer vom damaligen Vorstand der Bundesbank dafür gestimmt und wer die notwendige Mehrheit gebildet hat, ist nicht bekannt. Es wird deshalb Aufgabe des von der Staatsanwaltschaft nunmehr einzuleitenden Ermittlungsverfahrens sein, die individuellen Verantwortlichkeiten hierfür zu ermitteln.