Vermögensabgabe, höhere Steuern oder gar Enteignung zur Lösung der Euro-Krise hörte man bisher eher aus dem linken Lager. Doch nun meldet sich der globale Unternehmensberater der Boston Constulting Group (BCG) zu Wort: Die Reichen sollen die Schulden-Party der letzten 30 Jahre bezahlen - zur Not durch Enteignung.
BCG's Daniel Stelter im Gespräch mit dem Deutschlandfunk:
Frage: Sie haben sogar ein detailliertes Konzept zur Vermögensabgabe erstellt. Wie sieht das aus?
Stelter: Ja, die Frage ist ja, wie gehen wir mit den Schulden um. Und alle Ansätze, die versucht werden, gehen nicht, Sie können aus den Schulden nicht heraussparen, das wird nicht funktionieren, Sie stürzen die Wirtschaft immer tiefer in die Krise und die Schuldner haben letztlich noch mehr Schulden, als sie vorher hatten. Das kann man in Griechenland gut beobachten, aber auch in Portugal und Irland. Sie können versuchen, es über Inflation zu lösen, das wird sicherlich auch hier und da angestrebt, nur in so einem Umfeld ist es extrem schwer, Inflation zu generieren, und wenn sie kommt, dann wäre es in hohem Maße unsozial.
Und dann kommt dann die Frage, gut, wenn es diese zwei Möglichkeiten nicht gibt, Rauswachsen klappt auch nicht, wäre es nicht vernünftiger, das Ganze in einer Schuldenrestrukturierung zu bereinigen? Und dann muss irgendjemand dafür bezahlen und dann ist es in der Tat so, dass es naheliegend ist, diejenigen, die Vermögenswerte besitzen, die letztlich auch faktisch der Illusion unterliegen, dass die noch völlig belegt und zurückgezahlt werden, diejenigen entsprechend durch eine Steuer zu belegen und an diesen Kosten zu beteiligen und auf diese Art und Weise sozusagen die Party aufzuräumen, die Hinterlassenschaften der paar letzten 30 Jahre aufzuräumen.
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Frage: Ist so ein bisschen hier das Vorbild der Lastenausgleich? Nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, da mussten ja ab 1952 Reiche die Hälfte ihrer Vermögenswerte abgeben, über einen Zeitraum von 30 Jahren. Machte also ungefähr 1,67 Prozent jährlich. Wäre das so das Modell?
Stelter: Das wäre das Modell. Wobei man dazusagen muss, wenn wir mit unseren Kunden sprechen, mit Managern sprechen, sobald sie verstanden haben, wie groß die Schuldenproblematik ist in Europa, dann finden Sie auch eine große Bereitschaft, in diese Richtung zu denken. Wenn Sie umgekehrt in andere Länder gehen, ich erinnere mich gerade an ein Gespräch, was ich kürzlich hatte mit einem sehr ranghohen Manager in Italien, da gibt es dieses Verständnis nicht, da ist die Tradition eher gegeben, dieses Problem über Inflation zu lösen. Und das ist ja auch die Spannung, die wir innerhalb Europas haben, dass sicherlich Länder mit einer Inflationstradition lieber sagen, lass uns inflationieren, während Länder mit einer Lastenausgleichtradition wie Deutschland eher wahrscheinlich dazu neigen würden, es über eine Steuerlösung zu bereinigen.
Frage: Sollte man das europaweit machen oder nur in den wirtschaftlich stärksten Ländern?
Stelter: Das muss man sicherlich europaweit. Also, es wäre sicherlich ungerecht zu sagen, wir machen es in den wirtschaftlich starken Ländern, weil Sie haben in allen Ländern, gibt es natürlich noch Privatvermögen. Privatvermögen ist nicht gleich verteilt, insofern muss so was europaweit gemacht werden. Weil sonst wäre es sicherlich auch nicht fair. Die Belastung ist natürlich dann schon stärker bei den reicheren Ländern als bei den ärmeren Ländern, das ist aber auch ganz banal deshalb so, weil, die reicheren Länder sind die Gläubiger. Und was wir zurzeit in der Euro-Zone haben, ist ein ganz klassischer Konflikt, den es schon seit Jahrtausenden gibt, zwischen Gläubiger und Schuldner. Und wenn die Schulden zu hoch sind, dann setzt man sich am besten an den Tisch und bereinigt sie gemeinsam, wobei der Gläubiger auf etwas verzichtet und der Schuldner natürlich auch einen Beitrag leisten muss.
Enteignungsberater bereits bei Schäuble
Finanzminister Schäuble hat bereits vor zwei Jahren einen Mitarbeiter von BCG angeheurt. Es könnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Ideen Wirklichkeit werden. Siehe zum Thema auch: BCG Enteignungsberater im Deutschen Finanzministerium