Die Zeit der risikolosen Zinserträge auf Vermögen ist vorbei. Wer trotz der weltweit weiter steigenden Schulden glaubt, dass die Zinsen in naher Zukunft wieder ansteigen, läuft ein hohes Risiko, sich zu irren.
von Rolf Ehlhardt
Sollte sich das Wirtschaftswachstum, so wie es sich andeutet, beruhigen, dürfte die Nullzins-Politik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mittelfristig beibehalten werden. Man muss sogar mit einer Verschärfung rechnen (z.B. Minuszinsen).
Obwohl die Beibehaltung der zinslosen Politik fast logisch erscheint, halten laut einer von Flossbach-von-Storch beauftragten Studie 2/3 der Sparer an ihrer Null-Zins-Anlage fest. Daher ist bei einer 10 jährigen Bundesanleihe und einer Rendite von 0,11% p.a. nur eines sicher: Der Geldwertverlust. Dieser ist nicht nur unrentabel, sondern auch heimtückisch. Man sieht ihn nicht. Wer z.B. 10 Jahre auf seine € 100.000,- keine Zinsen bekommt, hat dann im Jahr 2029 immer noch € 100.000,- . Aber wie hoch ist dann der reale Kaufwert?
Ich bin in der Vergleichsrechnung zuerst von einer Inflationsrate von -wie derzeit- 1,6% ausgegangen, verbunden mit der Annahme, sie bleibt die kommenden 10 Jahre gleich. Daraus errechnet sich ein Rückgang des Geldwertes auf € 82.800,-.
Unterstellt man realistisch die aktuellen Steigerungen bei den Lebenshaltungskosten von mindestens 3%, dann geht die Kaufkraft in 10 Jahren auf € 73.742,- zurück. Fatal im besonderen Maß für die Rentner, die im Alter ihren Lebens-standard mit Zinseinnahmen aus ihrem Vermögen halten wollten (da Rente niedriger als das Gehalt). Diese Anleger müssen nun nicht nur die Differenz (da keine Zinsen) dem Vermögen entnehmen, sondern auch den Kaufkraftverlust.
Wie aus der oben genannten Studie ebenfalls resultierte, stufen die deutschen Anleger die Anlagealternative „Aktien“ überwiegend als „risikoreich“ und „spekulativ“ ein. Meist fallen dann die Beispiele Deutsche Telekom und jüngst VW. Dass aber der DAX von Anfang 2007 (beim 10-Jahres-Vergleich wäre die Rendite aufgrund des Crashs bis 2009 exorbitant höher) bis Ende 2018 2,80% p.a. gestiegen ist und der Anleger noch die jeweilige Dividende kassiert hat (die Rendite steigt somit durchschnittlich auf insgesamt über 5% p.a.), wird nicht berücksichtigt.
Konkretes Beispiel
Rechnen wir ein konkretes Beispiel anhand der BASF-Aktie. Die AG hat in den letzten 5 Jahren pro Aktien insgesamt € 14,50 pro Aktie an Dividenden ausgeschüttet. Wer also nicht teurer als € 81,50 für die Aktie bezahlt hat, liegt nicht im Verlust (hat bei Kauf zu € 81,50 allerdings auch keinen Ertrag). Wer 2007 zum 1. Börsenkurs kaufte (€ 50,29), freut sich in der Nachbetrachtung über einen Gesamtertrag von ca. 6,43% p.a. .
Nun vergleichen wir den Dividendenertrag mit dem obigen Kaufkraftverlust der Nullzins-Anlage. Zahlt die BASF in den kommenden 10 Jahren die Durchschnittsdividende der vergangenen 10 Jahre (akt. € 3,20) von € 2,54, dann dürfte der Börsenkurs der Aktie (akt. 67,-) bis 2029 auf € 41,60 fallen, ohne dass ein Verlust entsteht.
Umgerechnet liegt der Kaufwert der € 67,- auf dem Sparbuch -1,6% Inflation unterstellt- dann bei € 57,02. Steigt die Inflation auf durchschnittlich 3% verringert sich der Geldwert sogar auf € 50,94. Bei der Aktie habe ich Substanz und die große Chance auch auf Kurssteigerungen. Der Kaufkraftverlust bleibt.
Die Chancen dazu stehen aus heutiger Sicht gar nicht schlecht. Zunächst sind die DAX-Werte meist nicht teuer. Die Mehrzahl liegt bei einem KGV von 10 bis 15. Die Dividendenrendite, basierend auf die letzte Dividende, liegt bei der Hälfte zwischen 3% und 6%. Die Nachfrageseite für Aktien darf man bei dieser Betrachtung nicht aus dem Auge verlieren. Große Institutionen und Kapitalsammelstellen haben nämlich das gleiche Problem wie der „kleine“ Anleger auch.
Sie brauchen Kapitalerträge, um ihre „Daseinsberechtigung“ aufrecht zu halten. Lebensversicherungen, Stiftungen und Pensionskassen benötigen Einkünfte, um ihre Aufgaben und Geschäftsmodelle zu erfüllen.
Dieses Damoklesschwert trifft auch auf kleinere und mittlere Unternehmen zu, die ihren Gesellschaftern mit einer Pensionszusage verpflichtet sind, dafür auch Rücklagen gebildet haben, die nun in der Rentenphase keine Erträge mehr abwerfen. Sollte der/die Berechtigte älter werden und die Rücklagen aufgebraucht sein, muss die Rente aus dem Gewinn der Firma bezahlt werden. Das könnte besonders in wirtschaftlich schlechteren Zeiten mit rückläufigen Gewinnen, manche Firmen in Schwierigkeiten bringen. Geht sie in Konkurs, dann leiden auch die Rentenberechtigten.
High-Yield-Risiko
Fatal wäre es nun, für etwas Rendite das Risiko zu erhöhen. Im High-Yield-Segment kann man Rendite von 2% oder gar 3% erzielen. Die Anleihen sind oft nicht – bzw. mit „BBB“ geratet. Das Rating bedeutet: Derzeit keine nennenswerte Probleme. Die Finanzsituation könnte sich bei schlechter Wirtschaftslage ändern.
Ein bekanntes Beispiel aus der Vergangenheit: Praktiker-Anleihen. Totalverlust-Risiken sind unter allen Umständen zu vermeiden. Auch Derivate unterstützte Produkte mit prognostizierter (!) höherer Rendite sind mit größter Vorsicht zu genießen und eignen sich allerhöchstens als Beimischung. Ich würde mit einer BASF-Aktie besser schlafen, zumal die Aktie nun ca. 35% unter ihrem Höchstwert zu bekommen sind. Auf Basis der beschlossenen Dividende eine Rendite von 4,7%.