Die Wirtschaftsdaten aus Deutschland verheißen nichts Gutes. Und auch in der Eurozone sieht es schlecht aus. Wird die EZB jetzt die Gelddruckmaschine heiß laufen lassen?
von Sven Weisenhaus
Mit den kurzfristigen Ausbruchssignalen von gestern haben die Aktienmärkte aktuell beste Chancen, die übergeordneten Aufwärtstrends fortzusetzen, die Ende 2018 begonnen haben. Diese Trends wurden übrigens auch und insbesondere dadurch befeuert, dass die Unternehmen das erwirtschaftete Geld zu einem großen Teil in den Rückkauf eigener Aktien investieren.
Aktienrückkäufe auf Rekordhoch
Schon am 22. Januar hatte ich berichtet, dass die Aktienrückkäufe in den USA Rekordniveaus erreicht hatten. „Im gesamten Jahr 2018 dürften die Aktienrückkäufe in den USA dadurch insgesamt erstmals bei über einer Billion Dollar gelegen haben. Die US-Unternehmen hätten damit laut Medienberichten zum ersten Mal mehr Geld für Aktienrückkäufe ausgegeben als für produktive Investitionen“, schrieb ich unter dem Titel „Aktienrückkäufe auf Rekordniveau – Gefahren in den Bilanzen“). Und diese Tendenz ist ungebrochen.
(Quelle: yardeni.com, Standard & Poor’s)
Zudem lässt sie sich nicht nur in den USA feststellen. Laut einer Studie von Morgan Stanley haben auch europäische Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten so viele Aktien zurückgekauft wie nie zuvor. Unter dem Strich waren es hier 100 Milliarden Dollar, die in eigene Aktien investiert wurden. Offenbar haben die Konzerne im ansonsten schwächelnden wirtschaftlichen Umfeld keine andere Verwendung für ihre liquiden Mittel.
Wirtschaft in der Eurozone zeigt wieder deutliche Schwäche
Dieser Eindruck wird auch von den aktuellen Konjunkturdaten bestätigt. Denn das Wachstumsmomentum in der Eurozone scheint inzwischen wieder deutlich nachzulassen, nachdem sich im vergangenen halben Jahr eine Aufwärtstendenz etablieren konnte. Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex für die Eurozone von IHS Markit ist laut einer ersten Schnellschätzung im Juli auf 51,5 Punkte zurückgefallen.
Grund dafür ist die weiterhin schwächelnde Industrie, deren Talfahrt sich noch einmal beschleunigt hat. Der entsprechende Einkaufsmanagerindex erreichte mit 46,4 Punkten ein 79-Monats-Tief. Der Service-Sektor konnte dagegen weiter zulegen, die Expansion hat sich hier aber verlangsamt. Der Service-PMI blieb oberhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, ging aber von 53,6 im Juni auf 53,3 zurück.
Keine Besserung in Sicht
Und es ist keine Besserung in Sicht. Denn der Gesamt-Auftragseingang stagnierte nur noch. Die Hersteller mussten die zweitstärksten Auftragseinbußen seit 2012 hinnehmen, die Dienstleister vermeldeten das zweitniedrigste Plus seit fünf Monaten. Da keine neuen Aufträge mehr reinkommen, die Produktion aber weiterläuft, sinken die Auftragsbestände – und das inzwischen mit einer beschleunigten Rate. In der Industrie leerten sich die Auftragsbücher sogar so zügig wie seit 7 Jahren nicht mehr.
EZB erhält Rückenwind für neue Maßnahmen
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die Europäische Zentralbank (EZB) neue geldpolitische Maßnahmen plant, um einem erneuten Abwärtstrend der gesamten Euro-Wirtschaft zu begegnen. Denn laut IHS Markit dürfte sich das BIP-Wachstum von 0,2 % im 2. Quartal 2019 wohl im 3. Quartal bereits auf 0,1 % abschwächen. Von da aus ist es bis zu einer Stagnation oder gar einer Rezession nicht mehr weit.
Deutsche Wirtschaft zeichnet ein verheerendes Bild
Für die deutsche Wirtschaft sieht das Bild übrigens nach wie vor noch schlechter aus. Der Einkaufsmanagerindex der Industrie steht im laufenden Monat nur noch bei 43,1 Punkten. Die leichte Erholung vom Juni auf 45,0 war damit nur ein Strohfeuer und der Frühindikator hat ein 7-Jahres-Tief erreicht.
Vor diesem Hintergrund wird es immer problematischer, dem Kursanstieg im DAX noch einen vorlaufenden Charakter zu verleihen. Stattdessen sind immer mehr Zweifel an dessen Nachhaltigkeit angebracht. Denn wenn es der Wirtschaft immer schlechter geht, werden die Unternehmen bald nicht mehr die nötigen Gewinne erzielen, um diese weiterhin im bisherigen Umfang in Aktienrückkäufe zu stecken. Und dann wird auch dem DAX-Anstieg die Puste ausgehen. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wo der Index landen könnte, wenn es mit der Wirtschaft noch weiter abwärts geht.
Schwäche der Industrie strahlt auf Dienstleister
Zumal sich die Schwäche in der Industrie inzwischen auch zunehmend auf den Dienstleistungssektor überträgt. Der Einkaufsmanagerindex für den Service-Bereich ist nach den vorläufigen Daten im Juli auf 55,4 Punkte gefallen, nach 55,8 im Juni. Damit stehen die Zeichen hier zwar noch auf Expansion, doch lässt das Wachstumstempo weiter nach. Der Abwärtstrend seit Ende 2017 scheint nun – nach einer vorübergehenden mehrmonatigen Gegenreaktion – doch weiterzugehen (siehe folgende Grafik). Das Wachstumstempo der Gesamt-Wirtschaft hat jedenfalls bereits wieder den zweitniedrigsten Wert seit mehr als 6 Jahren erreicht.
So könnte man aktuell fast meinen, die Aktienrückkäufe seien der einzige plausible Grund für die Kurserholung im DAX. Denn die Kursentwicklung des DAX und die Konjunkturdaten driften immer weiter auseinander. Dies wird nicht ewig so weiter gehen. Entweder die Wirtschaft fasst bald wieder Tritt und folgt dem DAX nach oben oder der DAX wird der Wirtschaft nach unten folgen.
Deutsche Wirtschaft in einer Abwärtsspirale
Aktuell scheint sich mit Blick auf die Einkaufsmanagerdaten eher Letzteres anzubahnen. Denn laut IHS Markit hat sich der Rückgang der Auftragseingänge und der Auftragsbestände auch in der deutschen Wirtschaft beschleunigt. Entsprechend dürfte die Produktion bald sinken.
In der Industrie ist dies sogar schon seit 4 Monaten der Fall und der entsprechende Teilindex von IHS Markit sank auf einen der tiefsten Werte seit 2009. Die Folge werden rückläufige Umsätze und damit natürlich auch sinkende Gewinne sein. Und die Zahl der Gewinnwarnungen wird sich nicht nur erhöhen, sondern auf andere, bisher noch nicht betroffene Wirtschaftsbereiche ausweiten.
IHS Markit geht inzwischen für die größte Volkswirtschaft der Eurozone von einer leichten Rezession aus. Das würde bedeuten, dass die BIP-Veränderung im 2. und 3. Quartal 2019 jeweils ein leichtes Minus ausweist. Und das, obwohl der Gesamt-Einkaufsmanagerindex noch oberhalb von 50 Punkten und damit eigentlich im Expansionsbereich notiert. Aber das tat er auch, als die deutsche Wirtschaft im 3. Quartal 2019 schon einen BIP-Rückgang um 0,2 % hinnehmen musste.
Einkaufsmanagerindizes sind eben auch nur umfragebasierte, „weiche“ Frühindikatoren und damit keine „harten“ Fakten. Und wenn die EZB morgen das Steuer nicht energisch herumwirft, dann könnte dem DAX tatsächlich die Puste ausgehen.
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