Vor dem Hintergrund der hohen Zahlen von Übergewichtigen in Deutschland fordern die Grünen eine starke Einschränkung der Werbung für so genanntes Junkfood im Fernsehen.
"Junkfood" ist der Sammelbegriff für kalorienreiche Nahrung mit einem ungesund hohen Anteil von salzhaltigen, zuckerhaltigen oder fetthaltigen Inhaltsstoffen mit geringem Nährwert.
"Werbung für stark zuckerhaltige Produkte und ungesunde Lebensmittel muss reguliert werden", sagte Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochausgaben).
"Die steigende Rate von krankhaftem Übergewicht und anderen Zivilisationskrankheiten unterstreicht einen dringenden Handlungsbedarf. Gerade Kinder und Jugendliche sind besonders empfänglich für Werbung. Sie müssen besser vor Produkten geschützt werden, die nicht den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für ausgewogene Ernährung entsprechen", so die Abgeordnete, die auch studierte Medizinerin ist.
Kappert-Gonther forderte darüber hinaus eine Deklarierung von Zucker, Salz und Fett in Fertiglebensmitteln, verbindliche Reduktionsziele und steuerliche Anreize zur Verringerung dieser Inhaltsstoffe.
Sie sagte: "Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie reicht nicht, es braucht klare gesetzliche Vorgaben. Diese Maßnahmen müssen in eine umfassende Strategie zur Gesundheitsförderung eingebettet werden. Die Verantwortung für gute und gesunde Ernährung darf nicht ausschließlich den Einzelnen überlassen werden. Das befördert nämlich auch die Diskriminierung und Stigmatisierung hochgewichtiger Menschen. Gesundheit entwickelt sich im Alltag. Die Bundesregierung steht in der Verantwortung, endlich gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse für alle zu schaffen."
Hintergrund der Forderung ist eine Regelung in Großbritannien. Dort hat die Regierung von Boris Johnson vorige Woche angekündigt, Werbespots für Junkfood künftig erst nach 21 Uhr zu erlauben – also zu einer Uhrzeit, zu der nur noch wenige Kinder vor dem Fernseher sitzen und die meisten Supermärkte geschlossen sind.
Johnson begründete den Schritt auch damit, dass verschiedene Studien darauf hindeuteten, dass Fettleibigkeit den Verlauf von Corona-Erkrankungen negativ beeinflussen kann. Auch Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, zeigt sich grundsätzlich offen für ein weitgehendes Werbeverbot. Übergewicht sei ein "großes gesellschaftliches Problem", sagte er dem RND. Er verwies unter anderem auf Präventionsprogramme der Krankenkassen und die Einführung des Nutri Score, besser bekannt als "Lebensmittel-Ampel". Rüddel: "Sollten auch diese Maßnahmen keinen
Einfluss auf die Gewichtszunahme der Bevölkerung haben, wäre ich durchaus bereit, auch über weitergehende Maßnahmen wie beispielsweise ein Werbeverbot wie in Großbritannien zu diskutieren. Interessant wird auf jeden Fall sein, ob diese Strategie Einfluss auf die Ernährung der Briten haben wird", erklärte er.
Und weiter: "Ich möchte aber auch die Eltern nicht komplett aus der Verantwortung entlassen. Kinder und Jugendliche werden nachweislich seltener übergewichtig, wenn in den Familien eine gesunde Ernährung gelebt wird. Dazu gehört es meines Erachtens auch, Mahlzeiten selbst zuzubereiten und dann gemeinsam einzunehmen."
In Deutschland gelten inzwischen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung als übergewichtig oder sogar adipös. Unter den Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren liegt der Anteil an Übergewichtigen laut Bundesgesundheitsministerium aktuell bei 8,7 Prozent, der der Adipösen bei 6,3 Prozent. Die jährlichen Kosten für die Behandlung von Folgeerkrankungen von Übergewicht - wie Diabetis oder Herz- Kreislauferkrankungen - werden in unterschiedlichen Studien auf elf bis 20 Milliarden Euro geschätzt.
Foto: Süßigkeiten, über dts Nachrichtenagentur