Der Gamestop-Krimi: Die verabredete „Kriegsführung“ einer Armee von Privatanlegern gegen professionelle Shortseller Hedge Fonds gehört zweifelsohne in die Kategorie „außergewöhnlich neu“.
von Sascha Opel
Der bei Gamestop ausgelöste „Short Squeeze“ war gestern sogar Teil der Befragung von FED-Chef Jerome Powell, welcher der Frage gekonnt auswich.
Zugegeben: Um die Hedge Fonds, die hier mächtig bluten lassen mussten, weinen wir keine Träne nach. Oft genug haben diese ihre Spielchen auch bei einigen unserer Aktien in den letzten Jahren gespielt.
Gerade wenn Juniors oder Explorationsfirmen Geld benötigten (und ohne frisches Geld geht ein Explorationsunternehmen, welches noch keine Umsätze und Gewinne erwirtschaftet, sondern eine ökonomisch abbaubare und damit bewertbare Lagerstätte erkundet, bekanntlich pleite), haben immer wieder Hedge Fonds und Leerverkäufer auf die Kurse gedrückt, um dann „dankenswerter Weise“ bei der Kapitalerhöhung die Hände aufzuhalten.
Viele Firmen haben dieses böse Spiel dieser „Haie“ inzwischen aber durchschaut und lassen diese leer ausgehen, so dass diese am Markt eindecken müssen. Doch was erleben wir hier gerade? Sind diese offensichtlichen Machtproben zwischen Kleinanlegern und Profis eine vorübergehende Methode? Oder müssen wir uns an solche Spielchen gewöhnen?
So lange sich mit solch gezielten Attacken auf die am meisten leer verkauften Aktien schnelles Geld verdienen lässt und die Methode funktioniert, dürfte es weiterlaufen. Erst wenn sich die Masse der am Spiel beteiligten Privatanleger eine blutige Nase geholt hat, dürfte es enden.
Bianco Research veröffentlichte die beiden Grafiken rechts: Unten sehen Sie die Entwicklung der 50 am meisten leer verkauften Aktien im Russell3000 Index auf gleichgewichteter Basis. Was mit Tesla begann (die immer einer der am meisten leer verkauften Aktien der letzten Jahre war), scheint nun zur erfolgreichen „Anlegermethode“ geworden zu sein.
Nur dass auf Bewertungen und auf die Frage, ob diese am meisten leer verkauften Gesellschaften nicht etwa zurecht am Boden liegen, inzwischen keine Rücksicht mehr genommen wird. Man kann feststellen, dass die viele Millionen neuen Kleinanleger, die während der Pandemie die kostenlosen Onlinebroker wie Robinhood stürmten, die Börsen als Online Gaming-Event ansehen.
Man könnte von einer „Gamifizierung“ der Märkte und gewisser Aktien sprechen. Dass man nun auf die am meisten leer verkauften Aktien gestoßen ist, die bei einer Eindeckungswelle einen gewaltigen Short Squeeze erleben, ist die logische Folge dieser Gamifizierung.
Fazit: Ob die wild entschlossene Herde von Kleinanlegern, die große Hedge Fonds gerade in die Knie zwingt - wirklich eine „Demokratisierung“ der Finanzmärkte bewirken, wie es gestern ein Autor in einem Bloomberg-Artikel behauptete, oder dieser bewusst ausgelöste Hype von Quasi-Pleiteunternehmen der Anfang vom Ende des Sinn und Zwecks der Finanzmärkte, nämlich der effizienten Verwendung von Kapital ist, wird erst die Zukunft zeigen.
Nach Gamestop (USA: GME, Chart rechts), die in wenigen Tagen von 40 auf gestern in der Spitze 450 USD explodierte, wurde mit AMC Entertainment (USA: AMC, +300% auf 19,90 USD) die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Auch wenn wir uns wiederholen: Diese Exzesse sind unserer Meinung nach ein weiteres Puzzle teilchen in der Rubrik „Warnsignale für die Märkte“.
Es ist beileibe nicht so, dass wir Mitleid mit den betroffenen Hedge Fonds wie Melville haben (die von diesem Shortsqueeze in Gemestop „zerrissen“ und gerettet werden mussten - ganz im Gegenteil!), aber die Tatsache, dass fundamentale Gegebenheiten inzwischen nicht mehr zu zählen scheinen, lässt vermuten, in welchem Stadium der Hausse wir uns inzwischen befinden.
Doch dass wir einen großen Crash (wie im März 2020 zum Corona-Crash) bekommen, bleibt ebenfalls fraglich. Die Argumente für den „Crack-Up Boom“ sind weiter gegeben und monetär untermauert. Doch auch in einem Crack-Up-Boom kann es immer wieder zu heftigen Rückschlägen kommen.
So einen 10-20% Rückschlag befürchten wir aktuell bei DOW, S&P und DAX! Bei vielen Einzelwerten droht dagegen ein größeres „Luft ablassen“. Gerade eine Tesla sollte nach den gestrigen Zahlen auch mal 40 oder 50% korrigieren. Und selbst dann wäre die Aktie nicht gerade ein Schnäppchen, aber zumindest technisch wieder interessant.