Europas Atomkraftgegner sind aufgerüttelt, empört und erschreckt! Die EU-Kommission will nämlich die Kernkraft wieder zu einer umweltfreundlichen Industrie erklären. Ein Schlag gegen die gesamte «Grüne- und Klimabewegung» Europas.
Dass der französische Präsident für 2022 die Präsidentschaft für die EU übernommen hat, spielt Frankreich und seinem sehr atomfreundlichen Präsidenten voll in die Karten! Die EU-Kommission stuft die Kernkraft als nachhaltig ein, ein wahrer Hammer auf der wirtschaftspolitischen Ebene. Dabei hatte EU-Präsidentin Ursula von der Leyen schon im vergangenen Oktober deutlich wissen las sen: «Wir brauchen auch eine stabile Quelle, Atomenergie, und im Übergang natürlich Erdgas».
«Energiegewinnung aus Kernenergie kann in bestehenden Anlagen als ökologisch nachhaltig» eingestuft wer den, sofern die Baugenehmigung bis 2024 erteilt wurde und der Mitgliedsstaat über ein Konzept zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen verfügt. Übergangsmässig sollen auch Gasanlagen als nachhaltig taxiert werden! Interessant ist, dass die Kommission mehrheitlich die Unterstützung der Mitgliederstaaten hinter sich weiss. Die EU-Staaten haben zwei Wochen Zeit, die Vorschläge zu analysieren und zu kommentieren. Einzig Luxemburg und Österreich haben stante pede als «Nicht-Atomstaaten» unmissverständlich ihre Ablehnung signalisiert…
Aufgewühlt ist die deutsche Ampelkoalition. Die grünen Partner haben sofort und lautstark ihren vehementen Protest und Widerstand manifestiert. Ob das die Stimme der gesamten Ampelkoalition ist, wird sich in Kürze zeigen. Für Kenner der Materie sieht es so aus, dass Deutschland auf verlorenem Posten steht. Entscheidend wird sein, ob der neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Koalitionsfrieden oder die Harmonie mit dem französischen Präsidenten höher einstuft. Ein Drahtseilakt, zu dem er schon bald zu einem «Offenbarungs-Eid» gezwungen sein kann.
Ausgerechnet aus dem hohen Norden kommt Unterstützung in der Atomkraft-Frage für die Freunde der Kernkraft! So geht in Finnland in diesen Tagen das Kernkraftwerk «Olkiluoto 3» schrittweise ans Netz. Das ist immerhin das erste Atomwerk seit vierzig Jahren! Frau Marjo Mustonen von der finnischen Energiegesellschaft TVO äusserte sich knallhart: «Es ist Zeichen des Willens Finnlands und dessen grösster (!) Beitrag zum Klimaschutz». Die Inbetriebnahme erfolgt zwar zwölf Jahre später als geplant. Grund war, dass es sich um eine Anlage der sogenannten dritten Generation handelt.
Verspätungen sind an der Tagesordnung. Auch für das nächste sich in Planung befindliche finnische Projekt. Das Werk «Hanhikivi» steht an der Küste des Bottnischen Meerbusen, des nördlichsten Ausläufers der Ostsee. Die russische Rosatom ist mit einem Drittel am Projekt beteiligt, ein dauernder politischer Streitpunkt. Es wird ein grosser 1’200-Megawatt-Reaktor. «Glück für Finnlands Energiezukunft», dass die grosse Antikernkraft Partei «Die Grünen» inzwischen aus der Regierung ausgetreten ist. Ihr bisher massgeblicher Einfluss ist damit erloschen.
Interessant ist, dass im Hohen Norden Kernkraft populär ist. So nicht nur in Finnland, sondern auch in den benachbarten Staaten Estland und Schweden! So ist in Estland der grosse schwedische Energiekonzern Vattenfall als Investor an einem Startup beteiligt, das sich mit der Entwicklung sogenannter kleiner modularer Reaktoren einer neuen Generation beschäftigt. Obwohl technisch noch nicht ausgereift, hat es schon grosse Hoffnungen ausgelöst.
In der schwedischen Zeitung «Svenska Dagbladet» hat der schwedische Energieminister Khashayar Farmanbar, ein Sozialdemokrat, mit der Aussage überrascht, dass neue Reaktoren auch für Schweden zurzeit ein Thema sind. Für politische Beobachter ist das klar eine Richtungsänderung der schwedischen Regierungspolitik. Bisher hatte sich der Riksdag (Reichstag, das Parlament in Stockholm) stramm für einen Kernkraftausstieg bis 2045 ausgesprochen und auch alle politischen Bemühungen so ausgerichtet. Das Thema Kernkraft wird den Hohen Norden in den nächsten Monaten enorm bewegen, die Klima-Verbesserer wollen «keine Ruhe geben», wie die dortigen Pressevertreter melden.
Auch in Westeuropa ist die Kernkraft-Diskussion wieder heftig aufgeflammt. So in Belgien, wo die Regierung dieser Tage «Nein, aber…» gesagt hat. So soll zwar der bisherige Plan einer Abschaltung aller Reaktoren bis 2025 weiter gelten. Doch reden die Parteien bereits von einem Wiedereinstieg, «der nicht ausgeschlossen ist». Die Regierung hat in einem Kompromiss mit den ausgesprochenen Gegnern beschlossen, 100 Millionen Euro in die Erforschung neuer nuklearer Technologien zu investieren. Im Visier die sogenannten «Small Modular Reactors», die auch als «MiniAKWs» bekannt sind. Auch Belgien hat ein Energieproblem. Darum will man – vorerst – am Bau neuer Gaskraftwerke festhalten. «Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen», hört man von verschiedenen politischen Seiten.