Mit dem Ukraine-Konflikt und der Verzerrung des weltweiten Warenverkehrs sowie Corona, das in vielen Teilen der Welt immer noch präsent ist, ist die FED einfach nicht in der Lage, das zu tun, was sie eigentlich sollte.
von Sascha Opel
„Zinswende“ ist absichtlich in Anführungszeichen gehalten. Warum kann sich jeder gut informierte Marktbeobachter sicher denken. Doch zunächst zu den Fakten: Die FED erhöhte die Zinsen gestern erwartungsgemäß um 0,25% auf 0,50 %. Es wird nun erwartet, dass die FED ab Mai mit der Reduzierung der Bilanz beginnen wird, was beim letzten Mal mit erheblichen Turbulenzen an den Aktienmärkten einherging und daher schnell beendet wurde. Da die FED-Bilanz hauptsächlich aus US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren besteht, bleibt die große Frage im Raum, wer denn diese Papiere angesichts weiterer 6 in Aussicht stehender Zinserhöhungen in 2022 (und damit Kursverlusten der Anleihen) aufkaufen soll? Ende 2022 soll der Leitzins dann bei 1,75 bis 2,00% liegen. Die Fed-Prognosen zeigen eine Fed-Funds-Rate von 2,8 % für 2023 und 2024. Diese Prognosen kann man jedoch gleich wieder vergessen, da bis 2023 und 2024 noch so etwas wie die unbekannte Realität dazwischen liegt.
Wer hätte vor wenigen Wochen darauf gewettet, dass wir nach dem Covid-Angebotsschock einen erneuten Angebotsschock mit inflationären Auswirkungen durch einen Krieg in der Ukraine bekom men? Wie will die FED also „hellsehen“ was bis 2024 passiert?
Mit dem aktuellen Russland-Ukraine-Konflikt und der Verzerrung des weltweiten Warenverkehrs sowie Corona, das in vielen Teilen der Welt immer noch präsent ist, ist die FED einfach nicht in der Lage, das zu tun, was sie eigentlich sollte. Nämlich die Zinsen angesichts von 10% Anstieg der Erzeugerpreise und 7,9% Inflation viel schneller zu erhöhen. Zudem muss die FED den Zinsspread zwischen den USA und Euroland im Auge behalten. Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen nicht (schnell) anheben können, da dies viele große Banken und auch Staaten in Europa in Schwierigkeiten bringen würde. Die von uns in den letzten Jahren - seit dem „Whatever-it-Takes“ von Draghi - als „Lirarisierung“ des Euro bezeichnete Geldpolitik, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, ohne dass der Euro krachend auseinanderfliegt!
Hinzu kommt etwas, dem der Markt gestern kaum Aufmerksamkeit gestern schenkte: Nämlich die Prognose, dass das Bruttoinlands produkt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft nur noch um 2,8 Prozent wachsen soll. Dies sind 1,2 Prozentpunkte weniger als noch im Dezember prognostiziert.
Bedeutet, dass bei nun ebenfalls für das Gesamtjahr prognostizierter 4%-Inflation (vermutlich zu niedrige Prognose!), nun eine offizielle Wachstumsprognose von nur 2,8% (die vermutlich noch zu hoch ist) gegenübersteht. Ist die Inflation höher als das Wachstum, ist dies eine offizielle Stagflationsprognose der FED.
Einschätzung: Uns würde es daher nicht wundern, wenn die vom Markt erwarteten 7 US-Zinserhöhungen auf halber Strecke bereits einkassiert werden. Wahrscheinlich ist das, was wir gerade erleben (Zinswende) nur das Verschaffen eines kleinen Puffers, um bei der nächsten Krise die Zinsen schnell wieder in Richtung Null senken zu können und die Gelddruckmaschine erneut anzuwerfen.
Man kann es Drehen und Wenden wie man will. Anhaltend negative Realzinsen sind vorerst manifestiert. Ebenso Stagflation. Ein ideales Umfeld für Gold und andere Rohstoffe.