Deutschland bezieht rund 50% Gas aus Russland. Diese Energie ist unersetzbar, auch nicht durch sogenanntes Flüssiggas (LNG). - Nord Stream 1 entspricht etwa 660 LNG-Tanker-Ladungen pro Jahr. Problem: Diese Schiffe gibt es gar nicht und die Infrastruktur auch nicht.
Hinweis: Alle Zahlen sind stark gerundet
Noch fließt es, das russische Gas. 60 Mrd. Nm3 (Normkubikmeter) pro Jahr beträgt die Durchleitungskapazität von Nord Stream 1, durch die ja weiter Gas fließt.
Nord Stream 2 hat die gleiche Durchleitungskapazität, ist jetzt aber bis auf weiteres erst einmal Geschichte und soll durch amerikanisches Flüssiggas (LNG) ersetzt werden. Ein Ziel, das die USA bereits unter Präsident Trump verfolgt hatten, wobei er mehrfach klarstellte, dass man „Mittel finden werde“, den Gastransport durch die Nord Stream-Pipelines zu unterbinden.
Kann das funktionieren?
Die Kapazität eines aktuellen LNG-Tankers beträgt rund 150.000 Kubikmeter. Daraus werden ca. 90.000.000 m3 "normales" Gas. Das heißt, um die Jahreskapazität der Nordstream 1-Pipeline zu ersetzen, braucht man pro Jahr etwa 660 Fahrten der herkömmlichen LNG-Tanker quer über den Atlantik und das bei jedem Wetter. In ganz Europa gibt es insgesamt nur 29 Terminals für solche Tanker. Und in Deutschland? Da fängt man gerade damit an, das erste Terminal zu bauen. Oder anders ausgedrückt: Jeden einzelnen Tag des Jahres müssen rund 2 LNG-Tanker die Häfen anlaufen.
29 Terminals mit zusäzlichen 2 Schiffen pro Tag pro Terminal und Tag. D. h.: Alle ca. 12 Stunden müsste die Ladung gelöscht sein, inkl. An- und Ablegen. Allerdings dauert der Vorgang mindestens 20 Stunden bei den 150.000 Nm3-Tankern. Fazit: Die Anzahl benötigter Tanker müsste sich wohl grob gerechnet verzehnfachen, denn sie fahrem leer zurück. Und ein Gastanker ist alles andere als ein Schnellboot: Je nach Wetter und Strömung dauert die Fahrt USA/Europa und umgekehrt jeweils bis zu 15 Tage, d. h. jeder Tanker würde u. U. nur einmal pro Monat an einem europäischen Terminal anlegen, manchmal nur sehr wenige, manchmal zu viele.
Kräftig aufgestockt werden müsste natürlich auch die Zahl der LNG-Terminals. Bis das geschafft ist, würden nicht Jahre, sondern Jahrzehnte ins Land gehen. Und wirklich gesichert wäre die Versorgung selbst dann nicht.
Weltweit gibt es insgesamt nur etwa 470 dieser Tanker und die sind alle ausgebucht (Stand 2018). Viele neue sind in letzter Zeit nicht hinzu gekommen. Denn wegen der hohen Konstruktionskosten, etwa 200 Millionen Dollar pro Schiff, werden solche Tanker erst dann auf Kiel gelegt, wenn eine Langfristcharter vorliegt, etwa über 20 Jahre.
Aus Umwelt- und Klimaperspektive ist verflüssigtes (auf unter 160 Grad gekühltes) Erdgas alles andere als der Hit: Je nach Verfahren werden für die Verflüssigung des Gases die Ver- und Entladung und die Wieder vergasung zehn bis 25 Prozent der Energiedichte des Ursprungsgases benötigt, das Frackingverfahren selbst setzt vermutlich deutlich mehr klimaschädliches Methan frei als andere Formen der fossilen Energiegewin nung und stellt eine potentielle, erhebliche Gefährdung für das Trinkwasser dar. Meinte vor Jahren schon das Bundesumweltamt. Und:
Die Frage ist, wie lange die USA Europa überhaupt LNG liefern können oder wollen. Sicherlich: Die welt größten LNG-Produzenten sitzen nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Katar, Indonesien, Malaysia Australien. Aber diese Länder liegen auch nicht gerade um die Ecke und sind ebenfalls politisch extrem unsicher.
Beim geplanten LNG-Import „vergisst“ die grün ausgerichtete deutsche Politik die sog. „Vorkettenemissionen“ nur zu gerne, solange man selbst den Musterknaben mit dem erhobenen Zeigefinger geben kann. Wie etwa auch beim Import von Kohlestrom aus Polen.
2. Russenpipline
Außer Nord Steam 1 gibt es derzeit noch die Gaspipline "Jamal", was die oben genannte Problematik noch verschärft, weil sie in den Berechnungen nicht drin ist. Über Belarus und Polen kann die nach der russischen Halbinsel im Nordpolarmeer benannte Pipeline Jamal 33 Milliarden Kubikmeter pro Jahr liefern. Wenn die auch durch LNG-Tanker ersetzt werden sollte, werden noch mal 3000 Tankladungen por Jahr mehr benötigt mit allen Konsequenzen (s.o. Infrastruktur etc).
Summa summarum gibt es für Deutschland für die kommenden Jahre drei Möglichkeiten: Frieren und den industriellen Zusammenbruch, Beibehaltung russischer Gas-Importe oder Rückkehr zur Kohle- und Atomenergie. (www.private-profits.de)
Quellen: Gas- und Ölimporte aus Russland: https://www.br.de
Hinweis: Utsprünglich war im Text von zusätzlich 6500 LNG-Tankladungen die Rede für den Ersatz von Nord Stream 1 - tatsächlich sind es rund 660 LNG-Tankladungen. Wenn man das Gas aus Russland komplett ersetzen will, kommen noch mal rund 300 Tankladungen hinzu.