Sanktionen leiten eine neue Weltordnung ein. Kommt ein neues Ost-Bündnis ohne Dollar? Der härteste bisher jemals ausgebrochene Wirtschaftskrieg ist nur wenig von direktem militärischem Einsatz entfernt.
von Prof. Dr. Eberhard Hamer
Der ukrainische Präsident Selenskyj forderte von den Westverbündeten, dass die gegen Russland erlassenen Sanktionen verschärft und „mindestens 15 Jahre aufrechterhalten werden müssten“. Die US-Sanktionen gegen den Iran dauern schon länger, auch gegen Venezuela und andere.
Die von den USA und ihren europäischen Satelliten verhängten Sanktionen gegen Russland sind nicht nur Import- und Exportstopp, sondern auch Ausschluss aus dem Zahlungssystem (SWIFT) und Beschlagnahme und Einzug nicht nur des russischen Staatsvermögens überall in der Welt, sondern auch des Vermögens russischer Privatleute – in gleicher Weise, wie England und die USA im letzten Weltkrieg alles deutsche Vermögen beschlagnahmt haben.
Sieht man dazu die Rüstungslieferungen aus den NATO-Staaten in die Ukraine und die Milliardenzahlungen für die Aufrüstung, weiß man, dass zwar militärisch ein nationaler, wirtschaftlich aber längst wieder ein Weltkrieg begonnen hat. Durch die Sanktionen, Militärhilfe für die Ukraine und die Beschlagnahmung des russischen Vermögens, sind die USA und ihre NATO-Verbündeten längst Kriegspartei geworden, obwohl sie dies immer bestreiten. Der härteste bisher jemals ausgebrochene Wirtschaftskrieg ist nur wenig von direktem militärischem Einsatz entfernt.
Russland versorgte bisher die Welt mit fast einem Viertel der wichtigen Rohstoffe:
- Palladium 44 Prozent
- Diamanten 28 Prozent
- Gas 17 Prozent
- Platin 14 Prozent
- Öl 12 Prozent
- Gold zehn Prozent
- Nickel sechs Prozent
- Aluminium sechs Prozent.
Für Europa wirkt besonders die Energieabhängigkeit von Russland von fast 50 Prozent.
Wenn nun diese Rohstoffimporte der Welt plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen – abgeblockt werden –, wird dies kurzfristig drastische und langfristig wirksame Veränderungen der Wirtschaftsbeziehungen, der Produktionsbedingungen und der Versorgung der Welt bedeuten. Das geht von Preissteigerungen über Rohstoffknappheit, Produktionsveränderungen bis hin zu Mangelsituationen, wird jedenfalls angesichts der Rohstoffbedeutung Russlands weltweite Auswirkungen haben und auch die Sanktionsverhänger selbst treffen.
Sanktionen gegen Russland als Stoppschild gegen Globalisierung
Die Sanktionen gegen Russland waren auch ein Stoppschild gegen die Globalisierung. Bisher konnte man sich darauf verlassen, dass im weltweiten Wettbewerb am billigsten Standort produziert werden konnte und diese Produktion weltweit überall zur Verfügung stand. Die US-Sanktionen reißen die globalisierte Welt auseinander in zwei Blöcke: Die USA und ihre NATO-Satelliten einerseits und die Russland-China-Gruppe andererseits. Ein nicht mehr mit dem Westen handelnder russischer Raum muss sich zwangsläufig nach China orientieren, wird seine Rohstoffe China zur Verfügung stellen und dadurch den Hauptkonkurrenten der USA stärken, was die USA immer verhindern wollten. Wenn nach amerikanischer Voraussage der nächste Weltkrieg im Pazifik tobt, hätten es die USA nicht mehr nur mit China allein zu tun, sondern hätte China, ebenso wie die USA die NATO, ebenfalls mächtige Verbündete. Russland also in die Arme von China zu treiben, könnte langfristig für die USA selbst schädlich werden.
Schon jetzt aber beginnt sich durch die Finanzsanktionen der USA – Rauswurf Russlands aus dem SWIFT-System – auch im Weltwährungssystem eine Teilung zu vollziehen. China und Russland haben als Gegenrechnungsabkommen ein eigenes Zahlungssystem CIPS gegründet, das in Yuan abrechnet und bereits von mehr als 20 Zentralbanken der Welt mit optiert worden ist. Wenn Russland nur noch über CIPS und China immer mehr über CIPS und dadurch immer mehr in Yuan abrechnet, ist die Weltgeltung des Dollars (70 Prozent) auf dem Rückzug, dürfte angesichts der Wirtschaftsstärke der Chinesen das goldgedeckte CIPS-Verrechnungssystem immer bedeutender werden und sich das Fiat-Money-System SWIFT von der Vorsanktionsbedeutung vielleicht nie mehr erholen.
Rauswurf Russlands aus SWIFT führt zum Selbstmord des Dollarimperiums
Immerhin stehen hinter dem CIPS-Verrechnungssystem die beiden größten Goldbestände der Welt. Wenn man davon ausgeht, dass die USA ihre 8000 Tonnen „Buchgold“ nicht mehr real vorhanden haben, ist also das CIPS-System das einzige goldgedeckte Verrechnungssystem, während SWIFT auf künstlich von der FED geschaffenen und maßlos vermehrten Buchwerten – also ohne Substanzwert – beruht. Historisch ist die Welt immer zur sichereren Währung gewechselt und wird dies nach dem erzwungenen Sanktionenauftakt auch jetzt zunehmend tun. Wenn aber der Dollar in der Welt sein Vertrauen verliert und zurückgewiesen wird, weil die Staaten lieber ein goldgedecktes sichereres Zahlungssystem als eine Fiat-Luftwährung suchen, wird auch das Dollarimperium zusammenbrechen, das darauf beruhte, dass nur die USA unbegrenzt Zahlungsmittel schaffen, damit Wirtschafts- und Militärmacht finanzieren und die Welt beherrschen konnten. Der Rauswurf Russlands aus dem SWIFT-Abkommen könnte also zum Selbstmord des Dollarimperiums werden.
Den gleichen Irrtum begehen die Amerikaner auch durch den Ölboykott Russlands. Bisher hatten die amerikanischen Ölfirmen mit den Arabern ein von Russland geduldetes Ölmonopol und einen ebenso von ihnen mit Duldung Russlands beherrschten Gasmarkt. Ein plötzlicher oder mittelfristiger Ausschluss des russischen Öls und Gases hat – wie erwartet – schon jetzt zur Verdopplung der Energiepreise geführt und wird diese Preise weiter steigen lassen, was die ganze Welt in Mehrkosten und Wohlstandsverlust treibt. Auf Dauer wird sich aber die Welt nicht vorschreiben lassen, dass sie mehr als doppelt so teure amerikanische Energie kaufen sollen, während auf dem Weltmarkt ein Viertel der Produktionskapazität durch russisches Öl und Gas den US-Kampfpreis unterbietet und Gazprom sogar mit Dauerbilliglieferungen von Gas und Öl nach Europa trotz Krieges liefertreu blieb.
Bricht aber das von den USA verlangte Sanktionssystem gegen Russland mit Hochpreisen für Öl und Gas in Europa zusammen, ist das schmutzige Frackinggas aus den USA wieder nicht mehr absetzbar, brechen dort die Förderunternehmen zusammen und die in diesem Fördersystem mit vielen Milliarden Dollar engagierten US-Banken.