Tesla-Chef Elon Musk übernimmt Twitter. In den Medien wird dieser Schachzug kritisiert. Angeblich sei die Meinungsfreiheit in Gefahr. Oder hat die Presse Angst vor mehr Meinungsfreiheit wegen Musk?
Börsen-Zeitung: "Riskante Meinungsfreiheit", Kommentar zu Twitter von Peter De Thier
Als Hersteller von Elektroautos und Gründer seines eigenen Raumfahrtkonzerns hatte sich Elon Musk immer in der Rolle eines Vorreiters verstanden. Mit der Übernahme des Kurznachrichtendiensts Twitter befindet sich der reichste Erdenbürger nun in der neuen Situation, nur einer von vielen Milliardären zu sein, die der Medienindustrie ihren Stempel aufdrücken wollen. So hatte schon vor 100 Jahren William Randolph Hearst mit seiner dominanten Position in der Zeitungsindustrie versucht, die USA auf einen politisch isolationistischen Kurs einzuschwören. Es folgten Unternehmer wie Rupert Murdoch mit seinem erzkonservativen Medienimperium, CNN-Gründer Ted Turner und Amazon-Chef Jeff Bezos, der 2013 die "Washington Post" in sein Portfolio aufnahm.
Gleichwohl hat Musk eine neue Nische gefunden, die weitgehend frei ist von den regulatorischen Fesseln der US-Aufsichtsbehörden, und mit Blick auf den Wahrheitsgehalt des politischen Diskurses in den USA birgt das einige Gefahren. Während Hearst und Murdoch ihre mächtigen Plattformen nutzten, um konservatives Gedankengut zu verbreiten, erwiesen sich Turner und Bezos als Garanten von Pressefreiheit und journalistischer Unabhängigkeit. Genau für diese Freiheiten will auch er kämpfen, sagt Musk. Er sei nicht wirtschaftlich motiviert, sondern von der Überzeugung, dass Twitter eine Plattform für absolute Redefreiheit werden könnte, behauptet er. Bedeutet dies aber, dass Musk selbst weiterhin unbehelligt Tweets abfeuern kann, die Marktturbulenzen auslösen und auch die Aktienkurse seiner eigenen Unternehmen beeinflussen können? Noch wichtiger ist in diesen politisch unruhigen Zeiten die Frage, ob er im Namen der Meinungsfreiheit Verbreitern von Falschnachrichten und Hass wieder eine Bühne bieten wird.
Immerhin hatte Twitter nach dem Aufstand im US-Kapitol neben dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump mehrere seiner Wegbereiter und rechtsgerichtete Politiker verbannt, die bis heute an der Lüge festhalten, dass Trump die Wahl gewonnen habe. Anzunehmen ist nun, dass diesen wieder Tür und Tor offen stehen werden. Ein klares Signal lieferte Musk selbst, der sagte, im Zweifelsfall müsse ein Tweet Bestand haben. In den USA stehen dieses sowie übernächstes Jahr Wahlen an. Gilt auf einer führenden Plattform wie Twitter nun wieder das Prinzip der Gleichbehandlung von Fakten und Fake News, dann verheißt das nichts Gutes für die Zukunft einer Demokratie, die ohnehin bedenklich ins Wanken geraten ist.