Der Deutsche Aktien Index hat sich angesichts der Turbulenzen auf den Weltmärkten ganz gut gehalten. Das mag auch daran liegen, dass in diesem Index kaum Hightech-Werte enthalten sind. Wie sind die weiteren Aussichten?
von Sven Weisenhaus
Am Sonntag vernahm ich die Meldung, dass die USA im Kampf gegen die hohe Inflation die Aufhebung von einigen Zöllen auf chinesische Produkte erwägen. Präsident Joe Biden habe um eine entsprechende Prüfung gebeten, sagte Handelsministerin Gina Raimondo im Interview mit CNN. Bei Stahl und Aluminium sollen die Zölle zwar in Kraft bleiben, „aber es gibt andere Produkte wie Haushaltswaren, Fahrräder und ähnliches, bei denen es Sinn ergeben könnte", so Raimondo.
Zur Erinnerung: Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte 2018 und 2019 im Handelsstreit mit China Zölle eingeführt. Und eine Rücknahme dieser Zölle ist für die Wirtschaft natürlich eine positive Nachricht, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell hohen Inflation. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich die Aktienmärkte am gestrigen Pfingstmontag im Feiertagshandel recht freundlich präsentierten.
Deutschen Industrie sammelt erneut weniger Aufträge ein
Heute starteten die Aktienindizes dagegen schwächer in den Tag. Und DAX & Co. gaben weiter nach, als die Meldung kam, dass die deutsche Industrie im April überraschend den dritten Monat in Folge weniger Aufträge an Land gezogen hat. Die Unternehmen sammelten 2,7 % weniger Bestellungen ein als im Vormonat. Von Reuters befragte Experten hatten dagegen mit einem Wachstum von 0,3 % gerechnet.
Im März wurde bereits ein Einbruch um 4,2 % gemeldet, im Februar lag das Minus bei 1,3 %. Und im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragseingang im April 2022 sogar um 6,2 % niedriger. Da die Auftragseingänge als vorlaufender Indikator gelten, ist diese Nachricht für die Zukunft der deutschen Wirtschaft natürlich negativ.
Allerdings mangelt es der Industrie derzeit nicht an Aufträgen. Die Unternehmen verfügen über gut gefüllte Auftragsbücher. Das größere Problem ist aktuell nach wie vor eher die Materialknappheit durch gestörte Lieferketten. Und laut Statistischem Bundesamt ist der erneute Auftragsrückgang „auch Zeichen einer wachsenden Zurückhaltung bei Investitionen in einer politisch und wirtschaftlich angespannten Lage“.
DAX mit intakter Ausbruchsbewegung
Vor diesem Hintergrund ist der DAX zuletzt eigentlich recht gut gelaufen. Seit dem bullishen Bruch der Abwärtstrendlinie (rot im folgenden Chart, siehe grüner Pfeil), an der die Bullen zuvor vier Mal gescheitert waren (siehe Börse-Intern vom 19. Mai), ging es deutlich nach oben. Gestern wurde sogar noch ein neues Hoch in der neuen Aufwärtsbewegung markiert. Der Ausbruch ist damit aus aktueller Sicht nachhaltig gelungen.
Im Target-Trend-Spezial hatte ich den Lesern heute vorbörslich allerdings bereits geschrieben, warum ich aus charttechnischer Sicht, speziell aus Sicht der Elliott-Wellen, mit einem neuerlichen Rücksetzer rechne. Von daher kamen die heutigen Kursverluste für mich nicht völlig überraschend. Zumal der DAX im Hoch vom Pfingstmontag auch an der Rechteckgrenze bei 14.720 Punkten abgeprallt ist (siehe folgender Chart).
Solange der deutsche Leitindex nun nicht bis unter 14.226,47 Punkte fällt, bleibe ich bullish (die Gründe dafür erfahren Sie im Target-Trend-Spezial). Und sollte es den Bullen sogar gelingen, die Kurse erneut über das 61,80%-Fibonacci-Retracement der gesamten Korrektur bei 14.818,98 Punkten zu treiben (graue Linien), wie schon in der ersten Erholungsbewegung bis zum 29. März, stehen die Chancen sehr gut, dass auch die monatelange Seitwärtsbewegung oberhalb von rund 14.800 Punkten nachhaltig zurückerobert werden kann.
Oberhalb von 14.800 Punkten ist die Topbildung neutralisiert
Wenn dies gelingt, sind alle bearishen Signale der vorherigen Topbildung bzw. des Ausbruchs nach unten vom Februar neutralisiert. Dann dürfte eine größere Korrektur mit weiter stark fallenden Kursen vom Tisch sein. Allerdings auch nur diese konkrete Form der Korrektur. Erneute Rücksetzer sind auch dann natürlich weiterhin möglich.
Vor dem Hintergrund der Saisonalität in US-Zwischenwahljahren sind diese sogar zu erwarten (siehe u. a. „Achtung, Saisonalität in US-Zwischenwahljahren!“). Daher rechne ich für die Sommermonate auch auf allen genannten Märkten (Aktien, Anleihen, Devisen) mit Seitwärtskonsolidierungen, wie am Freitag geschrieben. Trotz des aktuell bullishen Verlaufs des DAX sollte man daher vorsichtig bleiben und Rücksetzer einkalkulieren. Zumal sich insbesondere die Sommermonate durch plötzliche und unvorhersehbare Richtungswechsel auszeichnen. Denn in dieser Zeit sind die Umsätze an den Börsen urlaubsbedingt häufig gering.
www.stockstreet.de