Die Sanktionen haben bisher vor allem eines bewirkt: Hohe Energiekosten, Rekord Inflation, Aufstand in armen Ländern. Der Rubel wurde zur stärksten Währung der Welt. Russland glänzt mit Handelsbilanzüberschuss. Deutschland dagegen erstmalig mit Handelsbilanzdefizit. Und der Euro säuft ab.
von Andreas Männickw
Seit dem 24. Februar 2022, also dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, ist eine Zeitenwende eingetreten. Das Datum dürfte in die Geschichtsbücher eingehen als der Beginn einer neuen Weltordnung, die sich in den Grundzügen schon jetzt abzeichnet. Die westliche Allianz USA, EU, GB & Co. stellt sich gegen „BRIC“ & Co“. Es werden neue Lieferketten und Währungssysteme erprobt. Der Euro könnte gesprengt werden. Der US-Dollar könnte seine Dominanz verlieren. Die Globalisierung wird einer regional geteilten Wirtschaft weichen.
Bei den sich immer mehr verschärfenden Sanktionen gegen Russland muss man immer wieder die Frage stellen, wie wirksam und sinnvoll die Sanktionen sind und wozu sie letztendlich führen werden. Auch muss sich jede Regierung die Frage stellen, ob die zunehmenden Sanktionen und das Liefern von schweren Waffen nicht nur das eigene Land mehr schädigen als Russland, sondern auch dass dies in einen 3. Weltkrieg führen kann. Die hohe Inflation und die mögliche hohe Arbeitslosigkeit im Falle eines Gasstopps ist zusätzlicher sozialer Sprengstoff in Deutschland. Schlittern wir damit nicht sehenden Auges in eine programmierte und zum Teil selbst mitzuverantwortende Katastrophe in der EU und im eigenen Land?
Während die Weltbörsen weiterhin auf Talfahrt sind, war die Moskauer Börse die mit Abstand am besten performende Börse der Welt seit Wiedereröffnung. Aber auch hier schaden die Sanktionen die westlichen Anleger, was bisher fast einer Enteignung gleichkommt, da die russischen ADR/GDR nicht mehr handelbar sind. Auch hier darf die Frage gestellt sein, wie sinnvoll solche Sanktionen sind, wenn sie das eigene Volk und westlichen Anleger schädigen. Auch wenn die Rückzahlung von russischen Euro-Anleihen aus rein technischen Gründen seitens der USA unmöglich gemacht werden, muss man sich fragen, welchen Sinn das haben soll außer zu versuchen, ein Land in den Staatsbankrott zu treiben, womit die westlichen Gläubiger am Ende selber den Schaden haben. Das trifft am Ende sogar Rentner und alle Anleger, Pensionsfonds, die in russische Staatsanleihen investiert hatten.
Die Sanktionen verändern nicht Putins militärische Ziele
Woran sollte die „Wirksamkeit" der Sanktionen gemessen werden? Sanktionen sind nur dann „wirksam“, wenn sie dazu beitragen, dass Verhalten der Zielpersonen (hier Putin und seiner machtvollsten Gefolgsleute) zu verändern, sprich dass Putin den Krieg beendet oder er sein militärisches Ziel anders formuliert. Was also haben die Sanktionen bisher kurzfristig gebracht? Für Russland bisher fast nur wirtschaftliche Vorteile! Außer dass McDonald's geschlossen hat, keine iPhones mehr verkauft werden dürfen, und Netflix nicht mehr empfangbar ist.
Sanktionen führen in einen unnötigen Wirtschafts-, Finanz- und Währungskrieg
Es gibt neben dem realen Stellvertreter-Krieg in der Ukraine, schon lange einen Wirtschafts-, Währungs-, Finanz- und Cyberkrieg vornehmlich zwischen den USA und Russland. Die EU schließt sich zwar brav den scharfen Sanktionen der USA gegen Russland an, aber sie hat damit größere wirtschaftliche Nachteile als die USA in Kauf zu nehmen. Putin behauptet, dass der Westen den (wirtschaftlichen) „Blitzkrieg“ gegen Russland verloren habe und die Fakten geben ihm bisher recht. Das Kohleembargo tritt aber erst im August in Kraft und das Öl-Embargo erst Ende des Jahres. Die wirtschaftlichen Folgen für Russland bleiben also abzuwarten. Schon jetzt ist aber erkennbar, dass Indien und China wesentlich mehr Öl abnehmen werden. Dies kann den zukünftigen Verlust bei Öl- und Gasexporten in die EU und die USA aber nicht vollständig kompensieren. Dennoch wird China im Außenhandel eine zunehmend bedeutsamere Rolle für Russland spielen. So konnte das Außenhandelsvolumen mit China seit 2019 schon um 70 Prozent von 84 auf 147 Mrd. USD zulegen. Es soll in diesem Jahr schon 200 Mrd. USD betragen.
Russland profitiert von hohen Energiepreisen
Durch die nach wie vor sehr hohen Öl- und Gaspreise hat Russland eine deutlich erhöhten Leistungs- und Haushaltsbilanzüberschuss. Der Leistungsbilanzüberschuss betrug bis zum Mai 96 Mrd. USD und war damit das Dreifache wie ein Jahr zuvor. Auch der Exportüberschuss betrug durch die hohen Öl- und Gaseinnahmen im 1. Quartal 58 Mrd. USD, was ein neuer Quartalsrekord ist. Dagegen hat Deutschland zum ersten Mal seit 1991 Handelsbilanzdefizit. Russland wird eine Rekordweizenernte einfahren. Russland exportierte in den letzten Monaten 18 Prozent mehr Getreide als im Vorjahr. Im 1. Quartal 2022 stieg das BSP Russland noch um 3,5 Prozent, also weit mehr als in den USA oder in Deutschland. Auch im ersten Kriegsmonat März stieg das BSP in Russland noch um 1,3 Prozent Erst im April sank es um 3%. Russland wird wohl in eine Rezession im zweiten Halbjahr kommen. Ob das BSP Russlands aber wie der Wirtschaftsminister Habeck jetzt mutmaßt um 10 Prozent sinken wird, ist noch unklar.
Beim Gas sitzt Russland am längeren Hebel
Gazprom musste schon in den letzten Tagen den Gasexport nach Deutschland wegen Wartungsarbeiten um 40 Prozent drosseln, weil 2 Turbinen zur Wartung von Siemens nach Kanada geschickt wurden, die dann aber wegen der kanadischen Sanktionen nicht wieder zurückgeschickt wurden, so zumindest die russische Version. Ab dem 10. Juli wird der Durchfluss durch die North Stream-Pipeline für einige Tagen wegen Wartungsarbeiten ganz gestoppt. Ob die Gaszufuhr dann wieder hochgefahren wird, hängt sicherlich auch von dem Verhalten von Deutschland ab. Für Polen, Bulgarien und auch für Shell wurde die Gaszufuhr durch Gazprom schon gestoppt, weil die Rechnungen nicht in Rubel bezahlt wurden.
Die Gasspeicher sind bisher erst zu 48 Prozent gefüllt. Ob sie bis zum Herbst zu 100 Prozent gefüllt werden können ist fraglich. Falls es im Herbst/Winter zu einem Gasausfuhrstopp-Russlands kommt, kann die deutsche Wirtschaft kollabieren. Derzeit fährt Wirtschaftsmister Habeck einen sehr risikoreichen Kurs, der in einem Energie-Desaster und einer schweren Rezession bzw. der Zerstörung der deutschen Industrie enden kann. Auch Stromausfälle (Blackouts) sind möglich. Wenn dann knappheitsbedingt die Öl- und Gaspreise weiter steigen, hat nicht nur Habeck, sondern die gesamte Regierung mit ihrer Sanktionspolitik sprichwörtlich mit Zitronen gehandelt.
Rubel so stark wie selten zuvor
Sehr verwundert ist der US-Präsident Joe Biden sicherlich auch über die Entwicklung des Rubels durch die geschickte Politik von Putin und der russischen Nationalbank, denn Joe Biden wollte den Rubel zum „rubble“ (Schutt, Trümmer) machen. Er dachte, dass der Rubel durch die Sanktionen dauerhaft auf 200 USD/RUB einbrechen werde. So brach der Rubel zwar nach den ersten scharfen Sanktionen wie der SWIFT-Ausschluss sowie dem Festfrieren von zwei Drittel der russischen Währungsreserven um fast 50 Prozent von 85 auf 145 EUR/RUB ein. Danach stieg der Rubel aber wieder ab Mitte März von 145 auf 55 EUR/RUB. Damit ist der Rubel sogar deutlich stärker als vor Kriegsbeginn. Ist es das, was westliche Sanktionen bewirken sollten? Oder ist der Schuss nicht deutlich nach hinten losgegangen. Eine kritische Bestandsaufnahme erfolgt in der westlichen Politik und auch in den Medien jedoch nicht.
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