Spätestens ab Oktober wird wegen Gasmangel die Lage für Gaskunden auch auf der Gasrechnung nicht mehr zu übersehen sein. Denn die Bundesregierung schaltet den Umlagemechanismus scharf. Es droht eine böse Überraschung - nicht nur für Warmduscher.
Börsen-Zeitung: "Preissignal für Warmduscher" Kommentar zur Gas-Umlage für alle Verbraucher von Stefan Paravicini
Der Ernst der Lage ist schon lange nicht zu überhören. Seit Wochen schlägt die Politik mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an vorderster Front wegen einer drohenden Mangellage bei der Gasversorgung im Winter Alarm und ruft private Haushalte ebenso wie die Industrie dazu auf, den Verbrauch einzudämmen, um für den Winter gerüstet zu sein. Spätestens ab Oktober wird die wegen reduzierter Gaslieferungen aus Russland angespannte Lage für Gaskunden auch auf ihrer Gasrechnung nicht mehr zu übersehen sein. Denn die Bundesregierung schaltet den Umlagemechanismus scharf, den sie vor wenigen Wochen im Energiesicherheitsgesetz verankert hat. Die Zusatzkosten für Gasimporteure wie Uniper, die die ausbleibenden Lieferungen aus Russland zu gestiegenen Preisen auf dem Spotmarkt ausgleichen müssen, um ihren Verpflichtungen gegenüber Versorgern nachkommen zu können, sollen dann gleichmäßig über alle Verbraucher verteilt werden.
Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung der Lenkungswirkung des Preises auf dem Gasmarkt eine stärkere Bedeutung zumisst, um eine Mangellage im Winter noch verhindern oder zumindest eindämmen zu können. Denn wo gut gemeinte Appelle von hartgesottenen Parlamentariern wie dem FDP-Mann Wolfgang Kubicki an "Warmduscher" verdampfen, ist die Weitergabe des höheren Gaspreises nicht nur für marktliberale Verbraucher eine verlässliche Entscheidungshilfe. Viele Ökonomen, darunter der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums, machen sich seit Wochen dafür stark, einer Gasrationierung mit marktwirtschaftlichen Instrumenten vorzubeugen und dem Preis die Allokation zu überlassen.
Die Bundesregierung hat dazu im Frühjahr eine Preisanpassungsklausel im Energiesicherheitsgesetz verankert, welche die Weitergabe von gestiegenen Beschaffungskosten ohne Umweg über eine Umlage erlaubt hätte. Vor der Aktivierung dieser Klausel, die Habeck als das "schärfste Schwert" bezeichnet hat, schreckt die Ampel-Koalition allerdings zurück und setzt auf das Umlageverfahren. Das ist politisch nachvollziehbar, weil die gleichmäßige Verteilung der Kosten die Akzeptanz und den sozialen Frieden stärkt. Die Lenkungswirkung des Preises und Fragen der Verteilungsgerechtigkeit müssen freilich auseinandergehalten werden. Denn mit der Gerechtigkeit ist es am Ende nicht weit her, wenn eine gedämpfte Lenkungswirkung des Preissignals das Risiko einer Gasmangellage mit allen ökonomischen Folgekosten erhöht.