Weder der Politik, noch der Bevölkerung scheint bewusst zu sein, was ein Mangel an Gas oder eine Verteuerung von Gas am Ende bedeutet. Es bedeutet nicht nur kalte Wohnungen und den Zusammenbruch der Industrie. Es bedeutet auch leere Regale und Hunger.
Einem der größten Düngemittel- und AdBlue-Produzenten in Deutschland, der SKW Stickstoffwerke Piesteritz in Lutherstadt Wittenberg, droht angesichts der steigenden Gaspreise und der zusätzlichen Gasumlage ein Produktionsstopp. Nun warnt der Wittenberger Landrat Christian Tylsch (CDU) in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) vor den katastrophalen volkswirtschaftlichen Folgen eines SKW-Produktionsstopps für die gesamte Bundesrepublik. Wie SKW fordert er die Befreiung von der Gasumlage sowie den Gaspreis für systemrelevante Betriebe staatlich zeitweise zu deckeln. Der Brief liegt „Business Insider“ vor.
Konkret heißt es dazu im Brief: SKW Piesteritz sei einer von zwei großen AdBlue Herstellern in Deutschland, der für die LKW-Flotte existenziell sei. "Droht eine Unterbrechung von Logistikketten, weil LKWs nicht mehr fahren können, steht die Bevölkerung vor leeren Regalen!", schreibt Tylsch im Brief.
Tatsächlich fährt ein Großteil der Lastwagen der Speditions-, Logistik und Transportbranche in Deutschland mit Diesel. Sie sind auf die Harnstofflösung AdBlue angewiesen, weil sie die ausgestoßenen Stickoxide bis zu 90 Prozent verringert. Ohne AdBlue können viele LKWs die Abgasgrenzwerte nicht mehr einhalten und dürfen nicht mehr fahren. Das Problem dabei: Viele der Fahrzeuge transportieren auch Lebensmittel in Supermärkte.
Bedroht wären laut Landrat Tylsch aber nicht nur Teile des Lebensmittel-Transports, sondern auch Liefer- und Zulieferverträge, etwa für Düngemittel, die wiederum die bundesweite Landwirtschaft treffen würden. Petr Cingr, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKW Piesteritz, hatte daher schon im Herbst 2021 vor einem dramatischen Anstieg der Preise für alle Güter, auch der Grundnahrungsmittel gewarnt.