Scharfe Kritik in der FAZ an Klima-Thesen von Hans-Werner Sinn. Der renommierte Ökonom sagt: Das Verbrennerverbot schadet dem Klima. Nationalen Klimaschutzmaßnahmen attestierte er einen negativen Effekt.
Führende deutsche Volkswirte und Energieökonomen gehen hart mit den Thesen von Hans-Werner Sinn ins Gericht. Es gibt aber auch Zustimmung, berichtet die F.A.Z. (Mittwochausgabe). Der frühere Präsident der Münchener Ifo-Instituts hatte behauptet das 2035 anstehende Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor schade dem Klima. Auch anderen nationalen Klimaschutzmaßnahmen attestierte er einen negativen Effekt.
- Der CO2-Ausstoß könne bei Öl, Kohle etc. nur reduziert werden, wenn "alle oder fast alle mitmachen, denn was wir nicht verbrauchen, verbrauchen sonst andere".
- "Wenn Deutschland kein Öl mehr kaufe, fällt der Weltmarktpreis, und andere kaufen es". Das hätten die letzten 40 Jahre eindeutig gezeigt.
- Laut Sinn ist das Verbrennerverbot deshalb unnütz: "Es ruiniert unsere Automobilindustrie, senkt unseren Lebensstandard und subventioniert andere Länder, vor allem China. Wo in den letzten Jahren nicht nur immer mehr Kohle verbrannt wird, sondern auch der Öl-Verbrauch steigt."
Monika Schnitzer die Vorsitzende des Sachverständigenrates, sagte der F.A.Z. zum vermeintlich klimaschädlichen Verbrenner-Aus. „Bei aller Wertschätzung für meinem Kollegen Sinn: Mit dieser Behauptung liegt er falsch.“ - Moritz Schularick, der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), sagte der Zeitung: „Es gibt schon genug Verkrustung und Beharrung in diesem Land. Jetzt nach Argumenten zu suchen, warum wir am Ende doch so einfach so weiter machen können wie wir es schon immer gemacht haben, vertieft nur die Probleme.“
Zustimmender äußerte sich Sachverständigenratsmitglied Veronika Grimm: Klimaschutz müsse in der Tat global gedacht werden. „Nur wenn es letzten Endes weltweit attraktiver ist, auf Basis klimafreundlicher Technologien zu wachsen, können wir als Menschheit Erfolg haben“, sagte die Energieökonomin
Zu Sinns These, dass ein geringerer Ölverbrauch in Deutschland mit Blick aufs Klima verpufft, weil dann anderswo mehr billiges Öl verbraucht wird, sagte Ökonomin Schnitzer: „Selbst wenn die ölexportierenden Länder ihr Öl weltweit billiger vermarkten, heißt das nicht, dass sie insgesamt mehr fördern als bisher, der Klimaschaden wird also nicht größer.“ Er werde vielmehr geringer, wenn man ihnen alternative Erwerbsquellen anbiete, beispielsweise den Export von Wasserstoff . Das Verbrennerverbot schade zudem nicht der deutschen Autoindustrie. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagte Schnitzer. Geschadet habe ihr, dass die Politik zu zögerlich auf den Umstieg auf Elektromobilität gesetzt.
Der Kieler Präsident Schularick entgegnete Sinn, dass es nicht richtig sei, dass die Emissionen in Europa wegen Kohleverfeuerung und Atomausstieg steigen. „Der europäische Emissionshandel funktioniert“, sagte Schularick. „Auch im letzten Jahr haben wir trotz der Gaskrise und dem Verfeuern von Kohle insgesamt in Europa weniger CO2 emittiert.“
Auf mehr Zustimmung stieß Sinn bei Axel Ockenfels und Sachverständigenratsmitglied Veronika Grimm. Ockenfels, der neue Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn, sagte: „Es ist richtig: Das Klimaproblem ist im Kern ein Kooperationsproblem.“ Unilaterale Anstrengungen könnten den Kooperationsanreiz für andere Länder reduzieren. Unter bestimmten Umständen könne der Klimaeffekt dann „sehr gering, oder sogar negativ“.
Das heiße aber nicht, das Deutschland alleine nichts tun könne, oder dass ein Verbrennerverbot notwendigerweise keinen Effekt habe. „Zum einen gibt es Ansätze, wie internationale Kooperation gelingen kann“, sagte Ockenfels mit Verweis auf Projekte wie den von der Bundesregierung initiierten Klimaclub. Zweitens könne Deutschland mithelfen, sichere und zuverlässige grüne Energie billiger zu machen als fossile Energie. Gelinge dies, liege es fortan im Eigeninteresse von Staaten und Unternehmen – und Autobauern und -fahrern –, fossile Ressourcen in der Erde zu lassen.
Das sieht auch Ökonomin Grimm so. „Je schneller wir klimafreundliche Technologien günstig machen, desto einfacher wird es.“ Das gelte nicht nur für Erneuerbaren Strom, sondern vor allem für Wasserstoff und darauf basierende Energieträger. „China und die USA haben das übrigens erkannt und treiben die Entwicklung voran“, so die Forscherin.
Richtig sei, „dass öffentliche Gelder viel besser angelegt sind in Aktivitäten die den globalen Klimaschutz stärken“. Als Beispiel nannte Grimm Energiepartnerschaften. Wasserstoff könne beispielsweise aus anderen Ländern importiert, aber gleichzeitig sollten die Anlagen vor Ort dann so konfiguriert sein, dass auch in den Partnerländern auf Basis grüner Energie gewirtschaftet werde. Dies sei aufgrund der „sehr national fokussierten Klimaschutzdebatte nur schwer vermittelbar“. Insofern habe Sinn durchaus recht, „dass der verengte Fokus auf den nationalen und europäischen Klimaschutz am Ende dem Klimaschutz schadet“.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima wollte die Aussagen Sinns nicht kommentieren, berichtet die F.A.Z.