Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat eine düstere Konjunkturprognose abgegeben und den von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplanten Industriestrompreis als Wachstumshindernis gegeißelt. "Wir sind erst einmal in einer Stagnationsphase. Dabei würde ich nicht überbewerten, ob wir knapp über oder unter der Nulllinie liegen", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben).
"Fakt ist: In einer Phase mit sehr geringem oder sogar negativem Wachstum müssen sich die Menschen auf Härten einstellen. Es kommt zu realen Einbußen." Grimm betonte: "Mittelfristig hängt die Konjunktur auch davon ab, ob sich die Regierung zu wichtigen und erstmal unangenehmen Strukturreformen durchringt. Der Industriestrompreis jedenfalls ist wenig förderlich für die mittlere Frist." Wenn man den Strompreis für die energieintensive Industrie senke, dann steige über den Marktmechanismus der Strompreis für alle anderen, deren Preise nicht gedeckelt seien. "Das betrifft den Mittelstand und viele zukunftsorientierte Unternehmen, die eine Chance für Deutschland darstellen", so die Wirtschaftsweise. Um den Anstieg bei den Energiepreisen zu dämpfen, rief Grimm dazu auf, das Energieangebot massiv auszuweiten. "Wir müssen schneller werden bei den Erneuerbaren, müssen große Mengen Wasserstoff beschaffen, wir brauchen wasserstofffähige Gaskraftwerke - und mehr Leitungen für Strom und Wasserstoff", sagte sie. "Es muss extrem viel in extrem kurzer Zeit passieren. Darauf sollte sich die Regierung konzentrieren, statt übergangsweise für einige den Strompreis zu senken."
Das veränderte Heizungsgesetz beschrieb die Ökonomin als wertlos. "Von dem ordnungsrechtlichen Ansatz war ich von Anfang an nicht begeistert, und jetzt ist es völlig verwässert. Effektiven Klimaschutz erreichen wir damit nicht mehr", sagte Grimm. "Und wenn man sich die Fördermittel für den Heizungstausch anschaut, kann einem schwindelig werden: 18 Milliarden im Jahr 2024 - woher soll das Geld auf Dauer kommen?" Sie forderte, die Energiewende bei Wärme und Mobilität über den CO2-Preis zu steuern. "Wir sollten die CO2-Bepreisung anschärfen - und die zusätzlichen Einnahmen als Klimageld an die Menschen zurückgeben und so den sozialen Ausgleich organisieren." Grimm warf der Politik mangelnden Mut vor, den Bürgern die Wahrheit zu sagen. "Wichtig ist mir, dass die Politik den Leuten reinen Wein einschenkt und deutlich macht: Der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität kostet etwas - auch den einzelnen Bürger", sagte sie. "Fehlender Mut hat schon die Regierungszeit von Angela Merkel geprägt. Man geht immer nur so weit, wie man es dem Wähler verkaufen kann. Das geht mit der Ampel-Regierung so weiter." Die Kritik der Wirtschaftsweisen: "Man schielt immer auf die nächste Wahl, bei der man abgestraft werden kann, und traut sich nicht, das Notwendige zu tun. Und jetzt verspricht man in einem Umfang Fördermittel, in dem sich das nicht durchhalten lässt - auf Kosten des Handlungsspielraums zukünftiger Generationen."