Die Börsen haben sich in den letzten Wochen zwar erholt, doch der Anstieg steht auf tönernen Füßen. Zinserhöhungen und Handelskrieg drohen. Außerdem ist der Mai traditionell ein schlechter Börsenmonat. Wie geht's weiter?
Börsen-Zeitung: "Drohende Delle", ein Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Europas Aktienmärkte haben ihre Erholung in der abgelaufenen Woche fortgesetzt. Der Dax erreichte im Verlauf bei 12.828 Zählern ein Dreimonatshoch; zuletzt lag er mit einem Wochenplus von 1,9 Prozent bei 12.820 Zählern. Damit stehen nun sechs Wochen mit positivem Vorzeichen zu Buche.
Die Erholungsbewegung wirkt allerdings ein bisschen zögerlich, was angesichts der vielfältigen verunsichernden Faktoren aber nicht verwunderlich ist. So schwelen etwa nach wie vor im Hintergrund die Befürchtungen über einen deutlichen Zins- und Inflationsanstieg. Bis der Handelskonflikt zu einem Deal führt, den US-Präsident Trump seinen Wählern als Erfolg verkaufen kann, wird noch geraume Zeit vergehen, so dass auch die Angst vor einem Handelskrieg nicht so schnell verfliegen wird.
In Europa läuft zudem die Quartalsberichterstattung - im Unterschied zu den USA - nicht gerade rund, wodurch mit der Gewinnentwicklung ein entscheidendes Argument, das zur Jahreswende noch für Aktien ins Feld geführt wurde, in Frage gestellt scheint. Nachdem etwas mehr als die Hälfte der Berichtssaison in der EU gelaufen ist, haben nur 46 Prozent der Unternehmen mit ihren Ergebnissen die Erwartungen übertroffen. Das ist Bank of America zufolge der niedrigste Wert seit dem Jahr 2013, und das Institut nennt auch die Ursache beim Namen: Die Währungsseite dämpft die Ergebnisse in dieser Saison.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich der Dax trotz des unsicheren Umfelds weiter erholt hat. Denn gerade auf der Währungsseite hellt sich das Bild auf. Der Euro hat zuletzt gegenüber dem Dollar deutlich nachgegeben.
Vor wenigen Wochen noch bei rund 1,24 Dollar, ist die Währung in der abgelaufenen Woche bis auf 1,1950 Dollar und damit auf das niedrigste Niveau seit Ende Dezember gesunken. Die Wahrscheinlichkeit, dass er weiter nachgibt, ist durchaus groß. Die US-Notenbank hat in ihrer jüngsten Sitzung ihren Kurs allmählicher Leitzinserhöhungen bekräftigt, so dass sich der Zinsvorsprung des Dollar weiter vergrößern wird. Weiter nachgebende Euro-Notierungen könnten den europäischen Aktienmärkten zu weiteren Avancen verhelfen.
Allerdings könnte der Währungseffekt durch ein neues Problem teilweise konterkariert werden. Die Anzeichen einer konjunkturellen Delle, auf die das Abbröckeln wichtiger Stimmungsbarometer wie des Ifo-Geschäftsklimas hinzudeuten schien, mehren sich.
Damit stehen die zu Jahresbeginn gehegten positiven Erwartungen für Wachstum und Unternehmensgewinne auf der Kippe. Erschwerend kommt hinzu, dass dies in einer Phase geschieht, in der es angesichts der bereits sehr langen Dauer des Konjunkturzyklus ohnehin latente Befürchtungen über einen ausgeprägten Abschwung gibt.
Experten äußerten sich zuletzt zuversichtlich, dass es nicht dazu kommen wird. Dass im Umfeld eines möglicherweise unbeherrschbaren Handelskonflikts die "ohnehin zu hohen" Vorlaufindikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung wie der Ifo-Index nachgäben, sei nicht verwunderlich, so am Freitag etwa die Weberbank.
Dass jedoch gleichzeitig die Daten zu Auftragseingängen, Industrieproduktion und zum Konsum in Europa ebenfalls schwächer gewesen seien, schüre Unsicherheit. Derzeit bestehe aber noch keine Gefahr einer merklichen Wachstumsabkühlung. So seien die zuletzt gemeldeten Daten durch zahlreiche Faktoren ins Negative verzerrt. Und ein gesamtwirtschaftliches Plus von 2,5 Prozent im Euroraum im ersten Quartal sei kein Beinbruch.
Die Commerzbank geht davon aus, dass die in der neuen Woche anstehenden Daten zur deutschen Industrieproduktion die Konjunktursorgen bestätigen werden. Zwar sei die Produktion in der eigentlichen Industrie wahrscheinlich gestiegen, aber für das erste Quartal wird wohl immer noch ein Minus zu Buche stehen. Zudem habe das kalte Wetter den Bau wahrscheinlich spürbar behindert. Wichtiger für den Ausblick auf die kommenden Monate seien aber die Aufträge, die voraussichtlich weiter geschwächelt hätten.