Nach der Nordkorea-Show geht's an den Börsen zur Tagesordnung über. Ein drohender Handelskrieg und eingetrübte Konjunkturerwartungen rücken in den Vordergrund. Eine das Finanzsystem destabilisierende Politik der neuen italienischen Regierung hinterlässt Spuren.
von Sven Weisenhaus
Das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wird von den meisten Medien derzeit leicht positiv bewertet. Immerhin wurde eine gemeinsame Erklärung unterschrieben, in der es um die nukleare Abrüstung Nordkoreas geht. Ein Zeitplan oder andere konkrete Vereinbarungen wurden jedoch nicht getroffen. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der eingeleitete Friedensprozess weiterentwickelt.
Auf die Börsenkurse hatte das Treffen bzw. dessen Ergebnis jedenfalls kaum Einfluss. Angesichts der daraus gewonnenen Erkenntnisse ist diese Marktreaktion aber auch absolut verständlich. Und die Bedeutung des Konfliktes zwischen den USA und Nordkorea für die Aktienkurse hatte ich sowieso in vorangegangenen Ausgaben bereits als gering eingeschätzt.
Handelskonflikt hinterlässt weitere Spuren im Konjunkturausblick
Ähnliches gilt auch für die ZEW-Konjunkturerwartungen, die heute veröffentlicht wurden. Denn das Umfrageergebnis des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist in der Reihe der Frühindikatoren eher von geringerer Bedeutung, weil der ZEW-Index lediglich die Stimmung von Finanzexperten widergibt und daher kurzfristig auch als Kontraindikator betrachtet werden kann.
Dass der aktuelle Wert für Deutschland mit -16,1 Punkten um 7,9 Zähler tiefer in den negativen Bereich und auf den niedrigsten Wert seit September 2012 gerutscht ist, sollte also im Hinblick auf die Börsenkurse nicht überbewertet werden.
Zumal zu erwarten war, dass die jüngste Eskalation im Handelskonflikt mit den USA Spuren im Konjunkturausblick hinterlassen würde. Und das gilt natürlich auch für die gesamte Eurozone. So ist auch der Erwartungsindikator der Finanzmarktexperten an die Konjunkturentwicklung in der Eurozone gesunken, um 15,0 auf -12,6 Punkte.
Einen erheblichen Anteil an diesem Rückganghaben Befürchtungen, dass die Politik der neuen italienischen Regierung schlussendlich das Finanzsystem destabilisieren könnten. So sind die Erwartungen für Italien um ganze 31,7 Zähler auf einen Stand von -48,4 gesunken.
Wie die Stimmung auf die Konjunktur drückt
Keine Frage - insbesondere die Eskalation im Handelsstreit belasten den Wachstumsausblick. Noch sind die tatsächlichen Auswirkungen der beschlossenen Zölle gering. Doch sie erhöhen die Unsicherheit für Unternehmen - auch weil eine weitere Eskalation mit weiteren Zöllen möglich ist. Und die verunsicherten Unternehmer könnten daher neue oder sogar bereits geplante Investitionen vorerst zurückstellen.
Dadurch würde sich die „weiche“ Stimmungslage auf die „harten“ Konjunkturdaten auswirken. Die Auftragseingänge sind in Deutschland bereits seit vier Monaten rückläufig. Darauf folgten jüngst bereits eine geringere Produktion und ein schwächerer Export (siehe auch folgende Grafik). Und letztlich wird dies zu geringeren Umsätzen und am Ende zu sinkenden Unternehmensgewinnen führen.
Kein Wunder also, dass sich die Aktienmärkte ebenfalls schon seit Monaten in Seitwärtsbewegungen befinden. Und diese können sich angesichts der negativeren Konjunkturaussichten zu einer großen Topbildung entwickeln.
Bereits in der Börse-Intern vom 18. April hatte ich darauf hingewiesen, dass der aktuelle Wirtschaftszyklus schon sehr reif ist und die deutsche Wirtschaft den Hochpunkt überschritten haben könnte. Seitdem bestätigen die weiteren Wirtschaftsdaten diesen Eindruck.
Im DAX droht weiterhin eine zweite Abwärtswelle
Auch wenn der DAX jüngst im kurzfristigen Bereich eine zweite Abwärtswelle vorerst abwenden konnte (siehe „Hat im DAX heute eine zweite Abwärtswelle begonnen?“), so ist diese noch längst nicht vom Tisch. Denn bis zum Verfallstag am Ende der Woche besteht angesichts der Positionierung der Stillhalter kaum Kurspotential (siehe gestrige Börse-Intern). Und hinzu kommt auch noch eine zunehmend restriktivere Geldpolitik. Die morgige Zinsentscheidung der US-Notenbank hat bereits das Potential, die Aktienkurse deutlich zu drücken. Und damit könnte dann doch noch eine zweite Abwärtswelle im DAX eingeleitet werden (roter Pfeil im folgenden Chart).
Die aktuelle Lage im DAX bleibt also weiterhin unentschieden. Das liegt natürlich auch daran, dass sich die Kurse immer noch nicht aus der leicht aufwärts gerichteten Konsolidierung der vergangenen Woche lösen konnten (siehe gelber Pfeil im folgenden Chart).
Und damit steckt der DAX auch weiterhin in der unteren Hälfte seines übergeordneten Rechtecks fest:
Nachdem der DAX dreimal die Rechteckgrenze bei 12.590 Punkten getestet hat (kleine grüne Pfeile), erfolgte heute der dritte Test der Mittellinie bei 12.945 Zählern (rote Pfeile). Dass diese nicht überwunden werden konnte, passt zur Verfallstagspositionierung. Und auch ein erneuter Anlauf an die untere Rechteckgrenze würde dazu passen.
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