Vor dem Hintergrund der anhaltenden Wachstumsschwäche in der deutschen Industrie ist es kein Wunder, dass sich der DAX jüngst nicht weiter in Richtung Allzeithoch bewegen konnte.
von Sven Weisenhaus
Die Frage, ob eine Rezession bevorsteht, hat Torsten Ewert gestern für die Wirtschaft der USA klar verneint. Dabei hat er sich auf den Leading Economic Indicator (Vorlaufender Wirtschaftsindikator) des Conference Board gestützt. Und ich kann seinen Eindruck bestätigen, indem ich Ihnen berichte, dass auch die Einkaufsmanagerindizes, die ich gerne als Frühindikatoren zitiere, weiterhin auf zukünftiges Wachstum der US-Wirtschaft hindeuten.
US-Wirtschaft könnte das höchste Wachstum seit drei Jahren erreichen
So ist der Gesamteinkaufsmanagerindex (also Industrie und Dienstleistungen zusammen = Composite-PMI) von IHS Markit zwar nach einer ersten Schnellschätzung (Flash-PMI) vom vergangenen Freitag im Juni auf 56,0 Punkte leicht zurückgekommen, er war aber im Monat zuvor recht stark gestiegen (von 54,9 auf 56,6 im April). Und er hatte damit so hoch notiert wie zuletzt vor mehr als drei Jahren (im April 2015).(Quelle: IHS Markit)
Und wie ich dazu am 6. Juni in der Börse-Intern bereits berichtete, entsprach dies einer annualisierten Wachstumsrate für die US-Wirtschaft von 3,5 %. Das war mehr als doppelt so viel, wie das Wachstum, welches der Einkaufsmanagerindex für die Wirtschaft der Eurozone anzeigte. Mit dem aktuellen Juni-Wert dürfte die US-Wirtschaft im 2. Quartal 2018 auch insgesamt um mehr als 3 % gewachsen sein. Das IHS Markit-Institut geht sogar vom höchsten Quartalswachstum seit drei Jahren aus.
Wachstumstempo dürfte im zweiten Halbjahr nachlassen
Allerdings dürfte dieses Wachstum nicht mehr allzu lange zu halten sein. Denn die Geschäftserwartungen sind gesunken und die Produktion zuletzt stärker gestiegen als der Auftragseingang. Von einer Rezession sind wir aber laut den aktuellen Erhebungen von IHS Markit noch weit entfernt.
Auch die Eurozone ist von einer Rezession noch weit entfernt
Das gilt übrigens auch für die Eurozone. Hier hat sich die Stimmung zuletzt sogar völlig überraschend verbessert. Der vorläufige Gesamteinkaufsmanagerindex ist im Juni um 0,7 auf 54,8 Punkte gestiegen. Im Monat zuvor war er allerdings auf ein 18-Monats-Tief gefallen und steht jetzt noch auf einem 17-Monats-Tief. Von einem Wachstum, welches auch nur annähernd so stark ist wie das der USA ist die Wirtschaft der Eurozone also ebenfalls weit entfernt. Nach Berechnungen von IHS Markit dürfte das Eurozonen-BIP im zweiten Quartal nur um 0,5 % zulegen.
Industrie in Deutschland schwächelt weiter
Kaum besser sieht es für die deutsche Wirtschaft aus. Der Composite-Index zeigte hier im Juni das zweitschwächste Wirtschaftswachstum seit September 2016 an. Denn er legte von seinem 20-Monats-Tief im Mai um 0,8 Punkte auf 54,2 zu - der erste Anstieg seit Januar - und das nur wegen eines stärkeren Dienstleistungssektors. Die Industrie schwächelte dagegen weiter (was übrigens auch für die Eurozone gilt).
Das bestätigt auch der ifo-Geschäftsklimaindex, der gestern veröffentlicht wurde. Der Index (schwarze Linie im folgenden Chart) ist demnach im Juni auf 101,8 Punkte gesunken, nach 102,3 Punkten im Mai.
Er erreichte damit ein 13-Monats-Tief. Und so dürfte der Rückenwind für die deutsche Wirtschaft weiter nachlassen. Die sogenannte ifo-Konjunkturuhr steht aber noch auf Boom. Auch hier deutet also noch nichts auf eine Rezession hin. Es ist lediglich mit schwächerem Wachstum zu rechnen.
Der DAX hat ein kritisches Niveau unterschritten
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Wachstumsschwäche in der deutschen Industrie ist es aber kein Wunder, dass sich der DAX jüngst nicht weiter in Richtung Allzeithoch bewegen konnte, sondern stattdessen die zweite Abwärtswelle, genau wie in den vorangegangenen DAX-Analysen mit einem roten Pfeil angezeigt, inzwischen bis zum Tief der grünen Welle 4 bzw. an das 61,80%-Fibonacci-Retracement (blaue Linie) reicht.
Dabei wurden die beiden Marken heute sogar unterschritten, was ein deutliches Warnsignal ist. Zwar ist das aktuelle Elliott-Wellen-Szenario noch nicht hinfällig, solange der DAX oberhalb des März-Tiefs notiert, aber durch das Unterschreiten des 61,80er Retracements als Maximalkorrekturkursziel könnte es gut sein, dass dieses Tief noch einmal erreicht oder sogar unterschritten wird. Und dann wäre eine Überarbeitung der Wellen nötig.
Target-Trend-Methode macht Hoffnung
Der (folgende) Target-Trend-Chart macht aber Hoffnung, dass der DAX an der Mittellinie bei 12.235 Punkten einen Halt findet und diese die Korrektur eventuell sogar beendet.
In diesem Chart zeigt sich nämlich, dass zwar auch die Mittellinie kurzzeitig unterschritten wurde, der aktuelle Kurs und damit der Kerzenkörper des heutigen Tages aber oberhalb dieser Linie liegen (grüner Pfeil). Gelingt in Kürze eine Kurserholung, könnte diese das Ende der Korrektur bestätigen.
Wird die Mittellinie aber deutlicher unterschritten, spricht auch der Target-Trend-Chart dafür, dass der DAX noch weiter in Richtung März-Tief fällt. Die Rechteckgrenze bei 11.880 Punkten wäre dann das Kursziel der Bären und der letzte markante Halt oberhalb des Tiefs.
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