Die Hoffnungen, dass die ersten direkt an China gerichteten US-Strafzölle noch verhindert werden können, sind verflogen.
Börsen-Zeitung: "Auge um Auge", Kommentar zum Handelsstreit von Norbert Hellmann
Am 6. Juli startet ein unheilvoller Mechanismus, bei dem die USA eine Warengruppe im Wert von 34 Mrd. Dollar mit einem Zollaufschlag von 25 Prozent belegen. Peking wird auf US-Produkte im selben Umfang entsprechende Tarife erheben. "Auge um Auge, Zoll um Zoll", könnte man in Abwandlung eines Zitats aus dem Alten Testament sagen.
Am Mittwoch sorgten Gerüchte für Aufregung, dass die Gegenmaßnahmen bereits am 6. Juli in der asiatischen Zeitzone wirksam werden. Dann wären sie wegen der Zeitverschiebung schon in Kraft, bevor man in den USA tatsächlich losgelegt hätte. Dem ist das Pekinger Handelsministerium entgegengetreten, um zu versichern, dass China nicht den ersten Schuss abgeben werde. Man stehe aber bereit, auf die US-Strafzölle umgehend zu antworten. So wird eine Wortwahl gebraucht, die sonst nur bei der Erklärung militärischer Schlachten Anwendung findet.
Nun steht man vor der Frage, ob aus einem Handelskonflikt ein "Handelskrieg" entsteht und landet bei einem sehr dehnbaren Begriff. US-Präsident Donald Trump hat bereits angedroht, dass eine chinesische Replik auf die Salve vom 6. Juli mit neuen drastischeren US-Zollstrafen beantwortet wird, die sich dann auf Waren im Wert von mehr als 200 Mrd. Dollar erstrecken könnte. Spätestens dann wird es unübersichtlich.
Im vergangenen Jahr lagen Chinas Exporte in die USA bei 500 Mrd. Dollar, umgekehrt waren es nur etwa 130 Mrd. Dollar. China findet damit nicht genügend US-Waren, die sich mit Zöllen belegen lassen, um das Auge-um-Auge-Prinzip zu wahren. Man landet dann wohl bei nicht-tarifären Maßnahmen, etwa Behinderungen von US-Unternehmen in ihrem China-Geschäft, auf die Washington ihrerseits wieder antworten wird. Noch ist es nicht so weit und neue Kompromisse sind jederzeit möglich.
In jedem Fall tun alle Parteien gut daran, mit dem Wort "Handelskrieg" möglichst sparsam umzugehen. Je schärfer die Rhetorik, desto größer die Gefahr, dass Nationalstolz das Bemühen um wirtschaftliche Schadensbegrenzung überlagert. Dies gilt für Peking auch hinsichtlich der Bestrebungen, die EU zu einer chinesisch-europäischen Allianzbildung gegen die US-Handelspolitik zu animieren. Je kriegerischer Peking auftritt, desto weniger wird Brüssel dazu bereit sein, in der Auseinandersetzung der beiden weltgrößten Volkswirtschaften Partei zu ergreifen.