Ehemaliger BIZ-Chefvolkswirt fürchtet nächste Megakrise: "Die Probleme, die der Lehman-Krise zugrunde lagen, sind nie bewältigt worden. Im Gegenteil, sie haben sich noch verschärft".
William White, bis 2008 Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), fürchtet zehn Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, dass die nächste Finanzkrise bevorsteht und noch dramatischer wird. »Die Probleme, die der Lehman-Krise zugrunde lagen, sind nie bewältigt worden. Im Gegenteil, sie haben sich noch verschärft«, sagt White in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.
Dank staatlicher Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten sei zwar die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger werden oder vom Markt verschwinden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen zu werden – wie einst Lehman. »Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen«, sagte White. »Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenlände und China.«
Der Kanadier hatte die Institution aus Basel, eine Art Zentralbank aller Zentralbanken und Denkfabrik, kurz vor der Lehman-Pleite verlassen. Zuvor hatte er ebenso eindringlich wie erfolglos davor gewarnt, dass das Finanzsystem auf einen Crash zusteuert.
Entscheidend sei, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben – also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhen. Denn, so White: »Schon die Antwort auf den Börsencrash von 1987 war: Wir drucken Geld. Und so ging es weiter. Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Wir stoßen also an eine Grenze.«