Währungsexperte De Grauwe warnt vor neuer Eskalation der Euro-Krise. Die der EZB sei erstens ineffektiv, da die Banken das Geld nicht nur zur Stützung der wankenden Staatsanleihemärkte verwendeten. Zweitens liege der Erfolg jetzt in den Händen von Kreditinstituten, die selbst noch stark wankten.
Der renommierte Währungsexperte Paul De Grauwe hat vor einem erneuten Aufflammen der Staatsschuldenkrise in Europa gewarnt. Zwar hätten die enormen Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) „dazu geführt, den Finanzmärkten die akute Panik zu nehmen“, sagte der Belgier der Financial Times Deutschland (Mittwochsausgabe). Das Problem sei nur, dass die EZB die Rettungsaufgabe de facto an die Banken abgegeben habe, als sie ihnen mehr als 1000 Mrd. Euro zu Niedrigzinsen gewährt hatte. Die „Dicke Bertha“ der EZB sei erstens ineffektiv, da die Banken das Geld nicht nur zur Stützung der wankenden Staatsanleihemärkte verwendeten. Zweitens liege der Erfolg jetzt in den Händen von Kreditinstituten, die selbst noch stark wankten.
„Es ist zu befürchten, dass die Panik zurückkehrt“, so der Wirtschaftsprofessor. Im Falle Spaniens seien „die Märkte schon wieder nervös“ geworden. Und: Wenn die Stimmung erneut kippe, drohe ein umso heftigerer Rückschlag, weil die Banken als Erstes die Staatsanleihen wieder abstoßen könnten, die sie gerade massiv gekauft haben.
Nach Einschätzung von De Grauwe war es zwar richtig, dass die EZB im Dezember interveniert und dabei auch die Banken gestützt habe. Die Alternative wäre ein Kollaps von weiten Teilen des Finanzsystems gewesen. Der Ökonom hätte es vorgezogen, wenn die Währungshüter schon früher durch einen Eingriff in die Staatsanleihemärkte aktiv geworden wären: „Dass die EZB das nicht getan hat, hat die zweite Welle der Bankenkrise im zweiten Halbjahr 2011 ja erst ausgelöst.“ Jetzt sei EZB-Chef Mario Draghi als eine Art Feuerwehrmann gekommen und habe „den Löschschlauch an Leute abgegeben, die selbst mit zittrigen Händen dastehen und den Brand nun löschen sollen“, sagte De Grauwe.
Um eine erneute Eskalation zu verhindern, sollten die Frankfurter Notenbanker möglichst bald intervenieren. „Die EZB sollte am besten ankündigen, dass sie alles daransetzen werde zu verhindern, die Risikoaufschläge in den Euro-Ländern auf mehr als 200 bis 300 Basispunkte gegenüber deutschen Staatsanleihen steigen zu lassen“, sagte De Grauwe. Wenn sie dies glaubwürdig ankündige, müsse sie dafür nicht einmal Staatsanleihen kaufen, weil es Investoren die Sicherheit gebe, ihr Geld nicht zu verlieren. Der verbleibende Risikoaufschlag könne auf Regierungen zugleich hinreichend abschreckend wirken und verhindern, dass sie die EZB-Garantie ausnutzen, um höhere Schulden zu machen.
Nach Einschätzung von De Grauwe lässt sich ein solches EZB-Vorgehen legitimieren, da Italien, Spanien oder Portugal durch eine sich verselbstständigende Panik an den Märkten insolvent werden könnten. Es sei die ureigene Aufgabe einer Notenbank, in solchen Ausnahmesituationen als Kreditgeber der letzten Instanz einzugreifen und eine Panikspirale zu stoppen.
Wenig Verständnis zeigte De Grauwe für Bedenken, wie sie Bundesbankpräsident Jens Weidmann hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer solchen Intervention geäußert hat. Es reiche, wenn die EZB existierende Staatsanleihen von anderen Investoren am Sekundärmarkt kaufe – dies sei ihr erlaubt, betonte der Währungsexperte. „Das hat mit einer monetären Finanzierung von Staatsschulden nichts zu tun.“