Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat nach Berichten über Anschläge am Flughafen Kabul der Bundesregierung Verantwortungslosigkeit für deutsche Staatsbürger und Ortskräfte in Afghanistan vorgeworfen. Viele säßen in Afghanistan noch fest, sagte die Grünen-Vorsitzende am Donnerstagabend dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Freitagausgaben). Frauenrechtlerinnen in Afghanistan würden es nicht überleben, wenn sie jetzt in die Hände der Taliban fielen.
Baerbock sprach im Zusammenhang mit den Anschlägen in Kabul davon, dass auch Kinder ums Leben gekommen seien. Viele Menschen seien zu dem Flughafen gekommen, "in der Hoffnung, dem Tod noch von der Schippe zu springen". Zu Fotos von den Anschlägen sagte Baerbock: "Da zieht sich alles bei mir zusammen." Die Bundesregierung habe bewusst nicht die Entscheidung getroffen, Menschenleben zu retten. Warnungen der deutschen Botschaft vor Ort seien überhört worden. Die Regierung habe innenpolitische über außenpolitische Motive gestellt, um keine neue Flüchtlingsdebatte zu haben. Das alles müsse aufgearbeitet und die Fehler klar benannt werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dringt nun auf eine großzügige Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen in Deutschland. "Nach dem Chaos der vergangenen Tage am Flughafen und dem Versäumnis der vergangenen Monate, muss es jetzt die Priorität der deutschen Regierung sein, alle Menschen mit deutschen Pässen und deren Familien sowie andere Gefährdete wie Ortskräfte, Frauenrechtlerinnen, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Künstler, Akademiker unbürokratisch und schnell zu helfen, auf sicherem Weg aus dem Land zu kommen und sehr großzügig in Deutschland aufzunehmen", sagte HRW-Deutschland-Direktor Wenzel Michalski dem "Handelsblatt" (Freitagausgabe). "Das ist die Regierung den im Stich gelassenen Menschen schuldig." Er wisse, dass es "verdammt schwer" sei, die Menschen jetzt noch herauszubringen, sagte Michalski weiter. "Da sollten wenigstens die bürokratischen Hindernisse abgebaut werden", mahnte er. Die Bundesregierung habe verkündet, dass sie mit den Taliban die Ausreise der Menschen auf zivilem Weg ausgehandelt habe. "Sie muss nun zu ihrem Wort stehen, schnell und pragmatisch."
Foto: Annalena Baerbock, über dts Nachrichtenagentur