Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht Deutschland längst in einem Krieg mit Russland. "Natürlich ist Russland im Krieg mit uns. Die hybriden Angriffe auf Deutschland und die Nato-Staaten kommen doch nicht vom Mars", sagte Gabriel dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe). Die Zeit für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sieht Gabriel noch nicht gekommen.
Grundvoraussetzung für Verhandlungen sei die Bereitschaft des Aggressors, "seine brutale Gewalt" gegen die Ukraine zu beenden. Diese sei "ganz offenbar" nicht gegeben, so Gabriel. "Es wäre ja ein Leichtes für Wladimir Putin, wenigstens aufzuhören, die zivile Infrastruktur, Krankenhäuser, Schulen und die Innenstädte nicht anzugreifen. Er tut es aber und hat offenbar nach wie vor das Ziel, die Ukraine zu einem weitgehend zerstörten Rumpfstaat zu degradieren." Nach den US-Wahlen könnte sich aber ein Fenster für Friedensverhandlungen öffnen.
Trotz des aggressiven Auftretens Russlands warnt Gabriel vor der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland in der jetzt geplanten Form. Anders als beim Nato-Doppelbeschluss Ende der 70er-Jahre sollen die Raketen ausschließlich in Deutschland und nicht in anderen europäischen Nato-Staaten stationiert werden. "Darüber muss in der Nato geredet werden. Denn das macht Deutschland zum alleinigen Zielort", sagte Gabriel. "Anders als beim Nato-Doppelbeschluss vermisse ich auch ein Abrüstungsangebot an Russland."
Angesichts einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump forderte Gabriel ein neues Reformprogramm im Geiste der Agenda 2010. "Was Europa betrifft, so wird Donald Trump wie schon in seiner ersten Amtszeit versuchen, Europa zu spalten und zu einer Abkoppelung von China zu zwingen", sagte Gabriel. "Deshalb wäre es so ungeheuer wichtig, dass Europa wieder an wirtschaftlicher Stärke gewinnt, denn das imponiert auch Trump. Man beeindruckt ihn nur mit Stärke", so der heutige Chef der Atlantik-Brücke. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe mit seinen Agenda-Reformen die Psychologie des Landes geändert. "Etwas Ähnliches brauchen wir jetzt wieder."
Foto: Protest vor der russischen Botschaft (Archiv), über dts Nachrichtenagentur