Staatsrechtler warnen vor schwarz-roter Übermacht. Die Mehrheiten von Union und SPD seien so komfortabel, dass sie auch, anders als noch bei den diversen Euro-Rettungsaktionen, auf innerparteiliche Abweichler keine Rücksicht mehr nehmen müssten.
Die Übermacht der Bundestagsfraktionen von Union und SPD im Falle einer Großen Koalition könnte nach Ansicht des Leipziger Staatsrechtlers Christoph Degenhart dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht öfter nach politischen Entscheidungen eingreifen muss. Degenhart begründet dies mit dem Umstand, dass CDU/CSU und SPD in einer Koalition über die Zwei-Drittel-Mehrheit für Verfassungsänderungen oder auch für Entscheidungen im Rahmen der EU verfügen, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden müssen.
Die Mehrheiten von Union und SPD seien so komfortabel, dass sie auch, anders als noch bei den diversen Euro-Rettungsaktionen, auf innerparteiliche Abweichler keine Rücksicht mehr nehmen müssten, sagte Degenhart Handelsblatt Online. Nicht nur die Balance zwischen Mehrheit und Opposition wäre verschoben, sondern auch die zwischen Regierung und Parlament, gibt er zu bedenken und fügte hinzu. In der Folge wird das Bundesverfassungsgericht noch stärker als bisher als Hüter der Verfassung agieren müssen, womit es auf Dauer überfordert sein dürfte.
Das Grundproblem sieht Degenhart darin, dass die Opposition bei einem schwarz-roten Regierungsbündnis kein Gesetz vom Verfassungsgericht per Normenkontrollklage überprüfen lassen kann. Was die Normenkontrollanträge betrifft, wäre eine Grundgesetzänderung erforderlich, sagte Degenhart. Dazu wären nur die Mehrheitsfraktionen in der Lage. Der Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Joachim Wieland, ergänzte, dass eine Große Koalition das gegenwärtig im Grundgesetz festgelegte Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages noch einmal auf ein Fünftel absenken könne, nachdem schon 2009 eine Absenkung von einem Drittel auf ein Viertel erfolgt sei. Eine rechtliche Pflicht zu einer entsp! rechenden Verfassungsänderung besteht jedoch nicht, sagte Wieland Handelsblatt Online.
Auch beim Rederecht sei eine Änderung wünschenswert. Demokratie lebt von der politischen Auseinandersetzung zwischen der Regierungsmehrheit im Parlament und der Opposition, der die Aufgabe der Kontrolle der Regierung zukommt und die durch ihre Arbeit die Chance erhält, selbst zur Mehrheit zu werden, sagte Wieland. Das Demokratieprinzip verlange daher, dass die Opposition vor allem bei der Verteilung der Redezeit angemessen berücksichtigt werde.