Wir stehen vor einem säkularen Abschwung, der bald in eine hyperinflationäre Depression führt ‒ das unausweichliche Ende dieses Zyklus. Ist das der Weg in den Sozialismus oder gar der Marsch in die Anarchie?
Gold 1 Jahr
von Hans-Jörg Müllenmeister
Oft ist es einleuchtend und angenehmer, Tatsachen, vor allem Zukunftsvisionen, durch eine Metapher näher zu bringen: Wie hier die narrative Goldpreisentwicklung als Fahrplan über die Schwelle der Zeit – von Meilenstein zu Meilenstein (Chart-Preispunkte). Was uns demnächst wirklich erwartet, liegt im Verborgenen der Zeit. Vielfach sind unschöne Entwicklungen, die uns in eine neue Epoche führen, nur mit Galgenhumor zu ertragen.
Gold-Start 2001 im tiefsten Jammertal bei Meilenstein 252 US-D (km)
Das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Geschehen am Goldmarkt ist mit einem Bild vergleichbar, das sich erstmals dem Betrachter 2001 an einem fiktiven Kopfbahnhof bietet: Im tiefsten Jammertal am markanten Meilenstein 252 US-D. Übrigens, anno 2002 erblickte der Währungsfrischling Euro das Zwielicht der Finanzwelt; seine verblichene Hülle wird man in den frühen Zwanziger zu Grabe tragen.
Dösend stehen die Wartenden im Morgengrauen – müde, abgeschlagen, doch voller Erwartung. Ihr Reiseziel liegt irgendwo im Nirgendwo. Fast gespenstig naht der Goldzug. Nur wenige aus der Menschenschar können sich ihr fernes Ziel überhaupt bloß schemenhaft vorstellen.
Wie in Trance steigen sie zu und richten sich im Erste-Klasse-Abteil komfortabel ein. Langsam setzt sich das Goldross in Bewegung. Hastig springen einige der Passagiere in letzter Sekunde auf. Die erregten Mitreisenden sind froh, dass sie noch Sitzplätze ergattern. Im grauen Dunst verebbt das ungläubig raunende Stöhnen und Staunen der Zurückgebliebenen.
2005: Gold rückt allmählich in den Fokus der Anleger
Gemächlich, ja geradezu lustlos pendelt der zum Goldbummelzug Mutierte, im Jahre 2005 unschlüssig um Meilenstein 430 hin und her. Der Goldzug gewinnt unverhofft zunehmend an Fahrt. Im November 2005 verweilt er auf offener Strecke im Olympiagelände in München. Einige der edlen Gäste nutzen den Aufenthalt.
Sie besuchen die Rohstoff- und Edelmetallmesse, nehmen neuen Proviant auf und informieren sich über das zu erwartende Streckenprofil und die voraussichtliche Fahrzeit. Die Messebesucher sind ganz baff als sie erfahren, dass es bald Schluss mit lustig an den Börsen sein soll. Gerade jetzt, wo doch viele Wanderprediger umherziehen und verkünden, der Dow würde bis 2010 auf 40.000 Punkte steigen.
Inzwischen sind am Meilenstein 430 US-D über 238 US-D vom Ausgangspunkt zurückgelegt. Kaum haben die Ausflügler wieder in ihren Abteilen Platz genommen, hat die Zugmaschine eine Panne. Nach bangen Minuten setzt sich das Goldross zur Erleichterung der Passagiere wieder schnaufend in Bewegung. Diesmal zum Entsetzen einiger Fahrgäste, in die Gegenrichtung.
Herbe Rücksetzer gehören eben zum Fahrplan
Nach etwa 30 US-D Rückwärtsfahrt quellen die Toiletten über: Während einige die Hosen gestrichen voll haben, hält der Goldzug und entleert sich seinerseits. Ein verstecktes Hindernis der terrorisierenden Zentralbank-Bande blockiert den Weg. Den kurzen Aufenthalt nutzend, springen weitere Fahrgäste auf das Hoffnungsross. Andere Fahrgäste steigen nervös und fahrig aus; aufgeregt diskutiert die Menschenmenge und ergeht sich in allerlei Mutmaßungen.
Die Duftmarke bei 500 US-D aus der Goldära wird geknackt
Hier und da sieht man altbackene Gold-Knackis mit verzückten, völlig entgleisten Gesichtszügen genüsslich träumend oder schnarchend sägen, so dass sich die Bahnschwellen biegen. Längst ließ Meilenstein 500 herzlich grüßen: Die wichtigste Duftmarke aus der verflossenen Goldära, über die der Goldexpress 1982 und 1987 immer wieder wie von einer unsichtbaren Wand abprallte.
1995 hält die Strecke unverhofft ein merkwürdiges Phänomen bereit: Für einen Augenblick scheint es nämlich, als ob der Zug über einem Luftloch schwebe und den Bodenkontakt verlöre. Eine unheimliche Erfahrung für manchen Gold-Frischling. Antike „Gold-Fossile“ beruhigen und erklären diese Anomalie als ein Chart-Gap; es würde auf jeden Fall später durch ein harsches Rücksetz-Manöver wieder geschlossen.
Der harte Kern der betagten Gold-Oldies hat sich im Seniorensalon in Plüsch und Plum eingefunden. Amüsiert verfolgen Altgold-Bo und Crash-Dirk M das lebhafte Gespräch, das sich zwischen Goldszenen-Bruno B, Zyklen-Johann S und Silber-Dietmar S entsponnen hat. Goldunverwüstling William E kabelt gerade Grüße durch die Leitung und der schlitzäugig gewordene Asien-Marc F fingert behänd an seinem Laptop.
In einer gemütlichen Ecke kredenzt Antik-Goldi Roland-L ein Gläschen Danziger Goldwasser, derweil bastelt Chart-Artist Dimitri S an einem möglichen Crash-Szenario. Klunker-Jörg bringt indes Ostern 2020 diese fiktiven Reiseeindrücke zu Papier, während Michael M ostentativ ein erfrischendes Video der Gold-Veteranen ins Netz stellt.
Meilenstein 886 US-D, Sommer 2008: Riesenunglück auf der Strecke
Beim Rattern des inzwischen pfeilschnell gewordenen Goldexpress' hört man sein eigenes Wort nicht mehr. Der Zug fährt ins Jahr 2008 in einen duftenden, verheißungsvollen Frühling. Blühende Landschaften gleiten vorüber. Im Sommer reichen die goldgelben Kornfelder bis zum Horizont. Goldammern singen, Silbermöwen schreien.
Jemand deutet gestikulierend, daß er soeben Meilenstein 896 vorbeihuschen gesehen hätte: „Das ist ein Zahlendreher“, raunzt ein feistbackiger Goldhamster altklug:, „längst haben wir 986 US-D hinter uns“. Während die Herzen der Goldies freudig im Dreieck springen, springt urplötzlich der Zug kreischend aus den Schienen.
Durch diesen unverhofften Aufenthalt gerät das Kursbuch gehörig durcheinander. Es kommt zu tumultartigen Szenen, zu einem Riesenunglück. Auslöser soll ein inszeniertes Rangierproblem der Oligarchen sein. Jedenfalls holen sich alle Goldbullen eine blutige Nase, die ihren Riechkolben zu tief in reines Papiergold gedrückt hatten.
Atemlos gehts rasant weiter bis ins Jahr 2011 zum 1. Hoch-Meilenstein 1800 US-D. Da macht eine Schreckensmeldung die Runde: Die Pleite der Immobilien-Bank Lehman Brothers löst eine weltweite Finanzkrise aus.
Höhenkranke im Preis-Hochgebirge
Einige, denen der Schock noch in Cent und Euro steckt, springen kühn auf den vorbei rauschenden Silberpfeil nach Nirgendwo. Ein Neuankömmling mit Netzkarte findet noch im Gepäck-Netz eine Bleibe. Reges Schwadronieren wabert jetzt durch alle Abteile: Goldhasen und Silberfüchse stecken ihre feinen Goldzinken zusammen, tauschen Silberblicke und goldgesponnene Erlebnisse aus.
Erstmals genießen die Reisenden aus dem Goldexpress eine grandiose Berglandschaft. Wie gebannt schauen alle aus den Fenstern ‒ eben die mit der Goldkante. Schon munkelt man etwas von einem nahen historischen Etappenziel, das im Preis-Hochgebirge in 5000 Höhenmeter läge.
Da heißt es kräftig durch-schnaufen. Jeder ist begierig zu erfahren, wann und wo das Hochplateau erreicht wird; im Zocker-Abteil laufen schon die ersten Wetten auf Hochtouren. Eine euphorische Stimmung breitet sich im ganzen Zug aus, ähnlich einer zuckersüßen Pandemie. Die immer dünner werdende Höhenluft bekommt den goldigen Angsthasen nicht; sie studieren Kotzebues Werke. Indessen bietet der Silberpfeil einen besonderen Bordservice: Ab 5000 m soll es Sauerstoffmasken für höhenkranke Erstklässler regnen.
Die Geister scheiden sich: Die Karawane der Unverwüstlichen zieht zu Fuß weiter
Neben aufkommender Euphorie macht sich allmählich auch eine panikartige Stimmung breit. Als der Morgen graut, schält sich schemenhaft ein grandioses Bergpanorama aus dem Dunst. Geschmeidig putzt der Föhn die Silberhäubchen der Gipfel blank, im Sonnenlicht erglänzt golddurchwirkter Fels.
Trügerisch nagt die Fata Morgana der greifbar nahen Ferne an der Wirklichkeit. Einigen Fahrgästen kommt diese zwielichtige Idylle verdächtig vor. Sie ertrotzen einen Nothalt auf freier Strecke; das Fußvolk zieht alleine weiter und folgt dem Zickzackkurs eines steilen Bergpasses. Später, so erfahren die Bergwanderer, ereilte den Silberpfeil sein Schicksal: Er raste in eine tiefe Schlucht und wart seitdem verschollen.
Der Staat „entdeckt“ das Gold der Bürger
Man schreibt das Jahr 2023. Nach einem gewaltigen Schuldenbeben, das weltweit fast alle Finanztempel und Unternehmen in Schutt und Asche legt, bringen die einst Corona-gezeichneten Menschen ihre Habseligkeiten in Sicherheit. Goldschakale und Silberfüchse reisen die finale Strecke weiter in eine bewegte, trügerische Zukunft, dies im Explorer-Express-Fernando ‒ in Gedenken an die verblichene Goldautorität Ferdinand Lips.
Nur einmal noch auf holpriger Piste müssen die Reisenden bange Minuten überstehen. Der Zug fährt am Meilenstein 2.200 US-D in einen Tunnel. Pechschwarze Dunkelheit umhüllt die Reisenden. Wohlige Müdigkeit lastet wie Blei auf allen Gliedern. Plötzlich tastet grelles Scheinwerferlicht forschend die einzelnen Abteile ab. Mit einer Vollbremsung kommt der Explorer zum Stehen. Beamte der Goldzollfahndung durchforsten jeden Winkel nach Gold.
Eigens ausgebildete Golden-Retriever schnüffeln nach versteckten Goldatomen. Man munkelt, dass diese staatliche Filzkampagne von langer Hand geplant war. Gewiefte Gold-Oldies werfen vorsorglich ihre Goldsäcke an Reißleinen aus dem Fenster. Jetzt bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen. Viele der ersparten Krüger Rands und Goldbarren werden erbarmungslos konfisziert. Als Luftnummer erhalten die gefilzten Goldbugs windige Quittungen für ihr eingezogenen Goldschätze. Merkwürdig, korpulente Silberknubbel bleiben von diesem Raubzug verschont.
Im Jahre 2025, jenseits von 5000 US-D – tollkühn in eine Terra incognita
Die Landschaft, die sich den Pionieren nach Überwinden einer Bergkette erschließt, ist karg, staubig, wüstenhaft. Nach Durchwaten eines tiefen Jammertals und einer zermürbenden Durststrecke von einigen Jahren des Darbens, verlässt viele der Wanderer der Mut.
Unter Höllenqualen erreicht der versprengte Trupp den historischen Meilenstein 5000 US-D. Ab hier will der größte Teil der Gipfelstürmer das unbekannte Bergland jenseits von Eden nicht mehr tiefer erkunden. Zu groß waren die Strapazen. Aber warum in eine Terra incognita eindringen, in ein Gebiet, das nie zuvor je ein Mensch betreten hatte. Nur die Tollkühnsten unter den Abenteurern – das Häuflein der sieben Aufrechten – marschieren unbeirrt weiter über das Jahr 2025 hinaus.
Das Finale der heißen Goldepoche
Anno 2026 findet ein Suchtrupp die ausgebleichten Skelette der Expeditionsteilnehmer am Meilenstein 5.300 US-D. Warum die Unverwüstlichen so tragisch enden mussten, bleibt der Nachwelt für immer ein Rätsel. Eine Prachtpyramide, errichtet aus 5.300 Goldbarren, gemahnt an die heißeste Rohstoffperiode der Menschheitsgeschichte.
Für Hartgesottene eine makabere Schlussbetrachtung
Mit der Inflation als letztem Treibsatz, mutiert der Goldexpress zur Goldrakete. Längst hat die Sternstunde der Edelmetalle geschlagen. Die Aktienmärkte sind überbewertet. Liquidität floß in unbegrenzter Menge direkt in die Realwirtschaft – bis zum Platzen der größten aller Kapitalmarkt-Blase. Wer jetzt kommod im Goldzug sitzt, fährt in seine wirtschaftlich gefestigte Zukunft. Doch aufgepasst, ehe Gold 2.300 US-D erreicht, rechnet der Chronist noch mit einem brutalen Höllensturz. Erst danach bekommen wir mit den Edelmetallen ausgelassenen Spaß.
Goldesel Trump, selbst-erklärter Freund des Goldes, weiß sicherlich, dass der Goldunzenpreis eher bei 8.000 US-D stehen müsste, um fair bewertet zu sein. Nicht auszudenken, wenn er Fort Knox dem Weißen Haus einverleibt.
Seit dem Höhepunkt des letzten Zinszyklus 1981 befinden sich die Zinssätze weltweit in einem Abwärtssog: von 20% auf 0%. Indes explodieren weiterhin die Schulden, ohne jeglichen Aufwertungsdruck bei den Zinssätzen. Zentral- und Geschäftsbanken schöpften Kredit-Meere aus dem puren Nichts. Diese unbegrenzte Geldschöpfung führt zum Einbruch der Währungen auf deren inneren Wert Null.
Wir stehen vor einem säkularen Abschwung, der bald in eine hyperinflationäre Depression führt ‒ das unausweichliche Ende dieses Zyklus. Erst danach können die Zinssätze wieder ins Undenkbare steigen, während die Kurse vieler Anleihen auf Null sinken.
Kurzum: Zuerst hyperinflationäre Depression, danach deflationäre Implosion aller Vermögenswerte und Zusammenbruch der Finanzsysteme. In der schulden-geschwängerten Luft liegen Massenarbeitslosigkeit und Volksaufstand. Droht gar ein wirtschaftlicher Kollaps? Ist das der Weg in den Sozialismus, der Marsch in die Anarchie?
Erst wenn die Schulden implodiert sind und die bis dahin überzogenen Preise sinken, entsteht ein neues Finanzsystem wie Phönix aus der Asche, aufgebaut auf solide Werte wie dem Gold: Schöne neue Welt ‒ du hast es besser!
MMnews wikifolio: Goldaktien pur