Olympia wird derzeit angeboten wie sauer Bier. Doch olympische Träume finden in Deutschland keine Mehrheiten mehr.
Börsen-Zeitung: Keine Märchen mehr, Kommentar zum Hamburger Votum gegen die Olympischen Spiele von Carsten Steevens
Olympische Träume finden in Deutschland keine Mehrheiten mehr. Nach den Erfahrungen vom Sonntag ahnt man: wohl noch für eine lange Zeit. Das Votum der Hamburger gegen eine Bewerbung ihrer Stadt um die Austragung der Sommerspiele 2024 hat einmal mehr die überwiegend kritische Haltung in Deutschland bestätigt, die bereits vor zwei Jahren im Süden der Republik das Projekt Münchner Winterspiele im Jahr 2022 verhindert hatte.
Der Bedarf an sportlichen Sommer- oder Wintermärchen ist offenbar gedeckt. So enttäuschend es 43 Jahre nach den bislang letzten Olympischen Spielen auf deutschem Boden auch sein mag: Solange der Eindruck bestehen bleibt, dass Olympia-Großprojekte das rechte Maß bei Kosten und Kommerzialisierung verloren haben, braucht Deutschland sich nicht mehr zu bewerben.
Es war richtig, ein Referendum anzuberaumen. Vorbehalte gegen Olympische Spiele, die zuletzt durch Sotschi im vorigen Jahr genährt wurden, gab und gibt es auch anderswo in der Welt. So zog Boston sein Interesse an einer Ausrichtung der Spiele 2024 zurück. Hätten die Hamburger mehrheitlich der Bewerbung zugestimmt, hätte die international weithin unbekannte Hansestadt als einziger Olympia-Kandidat mit diesem Erfolg punkten können.
Doch das von einer großen Koalition in Hamburgs Bürgerschaft und von der lokalen Wirtschaft massiv beworbene Konzept, das sich auf eine angekündigte Reformagenda des Internationalen Olympischen Komitees stützte, hatte einen gravierenden Mangel: eine überzeugende Finanzplanung.
Dabei wollte es Hamburg nach dem Finanzdebakel beim Bau der Elbphilharmonie mit einem detaillierten Kosten-Einnahmen-Plan besonders gut machen. Doch nicht nur wirkten die bis 2024 kalkulierten Kosten von 11,2 Mrd. Euro abschreckend. Versäumt wurde vor allem eine Vereinbarung mit dem Bund zur Kostenaufteilung, mit der man der Verunsicherung in der Bevölkerung angesichts zunehmender Herausforderungen etwa durch Flüchtlingsstrom und Terror hätte begegnen können.
Der Bund hätte, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble am Sonntagabend bedauerte, die Olympia-Bewerbung unterstützt, aber nicht in dem von Hamburg gewünschten Ausmaß. Bei so viel Unstimmig- und Halbherzigkeiten trotz der Aussicht auf einen weiteren Haushalt ohne Nettokreditaufnahme und der Erfahrungen in Bayern vor zwei Jahren wäre es besser gewesen, auf Pläne für eine Bewerbung zu verzichten. So hat sich Deutschland sportpolitisch blamiert. Und Hamburg muss auf eine einmalige Chance zur Standortentwicklung verzichten.