Ist der Bitcoin doch nur Betrug und Spekulationsblase? Ein Pyramidenspiel? Zu volatil, um jemals ein Zahlungsmittel zu sein? Ein Investmentwahn wie die Tulpenzwiebeln? Diese Woche hat es kräftig Kritik am Bitcoin gehagelt. Eine Bank bringt ihre (kritische) Meinung zu unserer Lieblingswährung in die deutsche Öffentlichkeit. Die reagiert skeptisch.
Von Christoph Bergmann
Der Bitcoin Friday hat den Preis ein wenig aufgescheucht. Es hat nicht gestürmt, aber gewindet. Freitag und Samstag feierte der Kurs mit rund 850 Euro Höchststände, Sonntag kam dann der Kater. Der Preis gab spürbar nach und drohte am Abend des ersten Advents sogar, in den 600er-Bereich zu fallen. Anleger dürfte das die Laune kaum verdorben haben. Für Händler, die ihre Ware am Bitcoin-Friday zu Spitzen von 840 Euro verkauft hatten, könnte es jedoch beunruhigend gewesen sein.
Glücklicherweise fing sich der Preis bei starken 750 Euro vorerst ein. Also knapp unter dem Niveau des Bitcoin Friday.
Zu volatil für eine Währung?
Damit wären wir beim ersten Thema: Die Volatilität. Die schaffte es letzte Woche in zahlreiche deutsche Zeitungen. Der Chefvolkswirt der Commerzbank hatte nämlich der Wirtschaftswoche ein leider kurzes Interview zum Bitcoin gegeben, das dann von einer Presseagentur verbreitet wurde und seinen Weg in Magazine und Zeitungen von der Münchner Abendzeitung bis zum Manager Magazin geschafft hat.
Die Meinung des Chefvolkswirtes der Commerzbank? Der Bitcoin habe keine Zukunft. Die Kryptowährung trage durch die starken Kursausschläge ihre Zerstörung bereits in sich. „Niemand verwendet eine Währung, die dauernd Achterbahn fährt.“
Ist es so? Wir begrüßen alle Kommentare der Händler und auch Kritiken von Lesern, Bankern oder Politikern. Allerdings glauben wir, dass die Volatilität auch ihre Vorteile haben kann. Derzeit geht der Kurs, trotz aller Ausschläge nach oben und unten, in der Tendenz nur in eine Richtung – nämlich ziemlich steil hinauf. Ein Händler, der Bitcoins nicht sofort und nicht morgen, sondern in einer Woche oder einem Monat umtauscht, hat eine gute Chance, aus der Volatilität Gewinn zu schlagen. Und wem das zu riskant ist, der kann über Zahlungsdienstleister wie BitPay Bitcoins akzeptieren, aber Euro empfangen.
Außerdem – wer sagt, dass die Volatilität von Dauer sein muss? Relativ gesehen flacht sie derzeit ab. Es sieht zwar extrem aus, wenn der Preis mal eben um 100 Euro absackt – aber diese entsprechen „nur“ 10 bis 20 Prozent. Da gab es schon wesentlich heftigere Kursstürze. Das erforderliche Kapital, um den Kurs ausschlagen zu lassen, wird immer größer und geht mittlerweile in die Millionen. Möglich also, dass sich das Problem mit der zunehmenden Marktkapitalisierung von selbst lösen wird.
Pennystocks, Schneebälle und Tulpenzwiebeln
Gleiches Feld, zweite Kritik: Die Commerzbank hat ein paar Tage später noch einmal nachgelegt. Eine oft republizierte Pressemeldung mit dem etwas suggestiven Titel „Bitcoin – eine trügerische Alternative?“ berichtet, das die Commerzbank ihre Kunden vor der virtuellen Währung warnt: „Sie könnten genauso gut auf jeden Pennystock setzen, denn auch Bitcoins haben keine Chance, jemals zu einer umfangreich verwendeten Währung zu werden.” Ein Analyst der Commerzbank hat die Haltung der Bank bewundernswert elegant ausgedrückt: „Wer das Platzen einer Blase beobachten will, sollte den Bitcoin gut im Auge behalten.“
Ein relativ großer Teil der kommentierenden Leserschaft stimmt der Commerzbank zu. Dieser beinah absurde Anstieg des Preises – das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, oder? Häufig treten zwei Schlussfolgerungen auf: Der Bitcoin ist ein Pyramiden-/Schneeball-/
Fangen wir mit der Pyramide an. Im Prinzip funktioniert sie wie ein Schneeball- oder Ponzisystem, und im Prinzip liegt es nahe, den Bitcoin mit ihr zu verwechseln. Ein klassisches Pyramidenspiel ist es, Anlegern hohe Zinsen zu versprechen, diese aber aus den Einlagen neuer Anleger zu bezahlen. Und so weiter. Wer früh einsteigt, macht exponentiell Gewinne, wer zu spät kommt, verliert. Über kurz oder lang stürzt das Kartenhaus zusammen. Ja, auch der Wert des Bitcoins steigt geradezu lächerlich schnell, und das nur aus einem einzigen Grund: weil mehr Menschen Bitcoins kaufen. Wie ein Schneeball eben. Aber macht ihn das auch zu einem Schneeballsystem? Wäre dann nicht auch eine erfolgreiche Aktie ein Pyramidenspiel? Natürlich nicht. Es gibt einige grundsätzliche Unterschiede zwischen einer Aktie und einem Pyramidenschema: Eine Aktie ist ein Investment, sie gibt einem Unternehmen Kapital in der Hoffnung, dass es wertschöpfend genutzt wird. Ähnlich ist es, wenn Sie Bitcoins kaufen. Die Wertsteigerung ist eben eine andere Liga. Der Kurs ist in den letzten acht Monaten um fast 10.000 Prozent gewachsen. Das bedeutet, die Leute, die schon früher in ihn investiert haben, konnten sich plötzlich hundertmal so viel kaufen wie zuvor. Zumindest theoretisch. Aber zumindest ein Teil der Kapitalströme, die im April den Bitcoin geflutet hatten, wurde genutzt, um die ihn voranzutreiben. Es wurde etwa in die Infrastruktur des Netzes gesteckt, mit dem Ergebnis, dass dieses nun so stark ist, dass es die 500 schnellsten Supercomputer der Welt es nicht kapern könnten. Bei weitem nicht. Außerdem haben sich hunderte oder tausender Entwickler Freizeit gekauft, um international vernetzt am Bitcoin-Code zu arbeiten. Hunderte von Unternehmen haben sich entwickelt. Der Bitcoin schafft Arbeitsplätze. Dabei war dies bisher nur der Sprung auf die 80-100 Euro. Wir sind gespannt, was der Sprung auf die 700 hervorbringen wird. Eines steht aber fest: Eine innere Leere sieht anders aus. Beliebt unter den Kommentatoren der Artikel war es auch, den Bitcoin als Tulpenzwiebel abzutun. Die Tulpenzwiebel ist der Inbegriff der irrationalen Spekulationsblase, seit sie im frühen 17. Jahrhundert in Amsterdam kurzzeitig so begehrt war, dass vor Gier verhexte Kleinanleger sogar ganze Stadthäuser gegen sie getauscht haben … Bis die Blase platzte. Eine Tulpenzwiebel ist eben nicht nur begrenzt nutzwertig, sondern als Tauschobjekt vergänglich. Womit wir wieder bei der inneren Leere werden. Der Preis stützt sich auf keinen Gebrauchswert. Beim Bitcoin ist es dagegen nur schwer abzustreiten, dass er einen Gebrauchswert hat: Er ist unschlagbar schnelles, sicheres und wertbeständiges Zahlungsmittel. Das System an sich – nicht das der Nutzer – arbeitet rund um die Uhr und ist, wie gesagt, nicht einmal durch die schnellsten Supercomputer der Welt kleinzukriegen. Der Bitcoin funktioniert als Zahlungsmittel. Es gibt viele Probleme, die noch zu lösen sind, wie die Größe der Blockchain, die Zentralisierung des Minens, die Abwehr von Hacks, der Umgang mit Kriminalität, um nur ein paar zu nennen — aber eine leere Spekulationsblase ist der Bitcoin bestimmt nicht. Das zeigte sich spätestens am Bitcoin Friday. Laut ersten Berichten war der Aktionstag ein grandioser Erfolg. Gordon Leu von Bits Systemhaus sagte: „Das macht richtig Spaß Leute, wir hätten niemals mit so einer Resonanz gerechnet! Wir werden unser Angebot definitiv weiter ausbauen.“ Auch andere Händler haben von hervorragenden Umsätzen erzählt, aber dazu kommen wir ein andermal. Der Tag fand weltweit statt, Epizentrum war – wie sollte es auch anders sein – die USA. Dort haben rund 500 Shops mitgemacht. Die Zahlen: Es gab 102.000 Transaktionen, so viel wie noch nie. In Dollar gezählt wurden am Bitcoin-Friday mehr als 410 Millionen versendet. Stau gab es in der Blockchain nicht. Im Gegenteil: Bis auf wenige Ausnahmen wurden die meisten Transaktionen, sofern sie eine kleine Gebühr (ca. 6 cent) bezahlt haben, innerhalb kürzester Zeit prozessiert, die durchschnittliche Dauer zur Bestätigung betrug 8 Minuten. Es funktioniert! Christoph Bergmann bloggt für bitcoin.de, Deutschlands großem Bitcoin-Marktplatz. Zum Blog Hier gehts zu den realtime Bitcoin-Kursen
Innere Leere?
Es ist … eine Tulpenzwiebel?
Und es ist … ein Zahlungsmittel!