Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), hat den britischen Premierminister Boris Johnson scharf kritisiert und vor einer Gefährdung der Demokratie gewarnt. "Das Schlimme ist, dass Boris Johnson eine sehr egoistische Strategie verfolgt, die am Ende nicht den Interessen seines Landes dient", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagsausgaben). "Das macht mich schon ein bisschen sprachlos. Er vergrößert das Chaos. Und dass er versucht, in der ältesten parlamentarischen Demokratie die Rechte des Parlaments einzuschränken, ist nochmal eine neue Stufe."
Wenn man wie Johnson und sein Parteifreund Jacob Rees-Mogg, der sich im Unterhaus zuletzt schlafend stellte, "den Eindruck vermittelt, im Parlament säßen letztlich zahnlose Papiertiger, dann kann die Demokratie Schaden nehmen", so Barley. Die SPD-Politikerin plädierte für ein weiteres Referendum: "eines, das eine andere Frage stellt als das erste", sagte Barley. "Das erste Referendum war eine Grundsatzentscheidung. Ein zweites Referendum müsste eines sein über sehr konkrete Szenarien." Überdies mahnte sie: "Die EU muss weiterhin sehr klar bleiben. Das macht sie auch ganz gut. Je prekärer die Lage in der Europäischen Union wird, desto wichtiger ist, dass die 27 zusammen zu halten." Wenn die EU anfange zurückzurudern, würde das die Tür für alle möglichen Unzufriedenen öffnen, so Barley. "Und dann funktioniert die EU eben nicht mehr", warnte sie. "Wir müssen deutlich machen: Das Brexit-Abkommen ist ein Kompromiss, für den auch die EU viele Zugeständnisse gemacht hat. Selbst ein Boris Johnson mit all seiner aggressiven Rhetorik wird daran nichts ändern. Er macht die EU nur entschlossener." Die frühere Bundesfamilien- und -justizministerin hat neben der deutschen auch die britische Staatsbürgerschaft.
Foto: Katarina Barley, über dts Nachrichtenagentur