Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hält einen Zuzug von Arbeitskräften für dringend geboten, damit Deutschland als Exportnation wirtschaftlich erfolgreich sein kann. "Jedem, der sich unsere Wirtschaft anschaut, wird klar, dass dieses Land ohne den Zuzug von Arbeitskräften nicht erfolgreich sein kann", sagte Gauck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben). "In Deutschland werden einfach zu wenig Kinder geboren, und es gibt einfach zu wenig arbeitsfähige und arbeitswillige Bio-Deutsche." Zugleich erklärte der ehemalige Bundespräsident aber auch, dass es ein "Gebot der politischen Vernunft" sei, Zuwanderung zu steuern und nötigenfalls auch zu begrenzen.
"Wenn die traditionellen Parteien der Mitte die durch die Zuwanderung mitgebrachten Probleme nicht deutlich besprechen und aktiv gegensteuern, entsteht ein Gefühl von Kontrollverlust."
Der Satz der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), "Wir schaffen das", sei eine gute Botschaft gewesen. Wenn darauf aber nicht folge, wie man es schaffe und konkrete Maßnahmen ergriffen würden, dann könne "fehlende Handlungsbereitschaft zum Verstärker einer anthropologisch angelegten Angst vor dem Fremden werden", so Gauck.
Trotzdem lasse sich nicht rational erklären, dass ausländerfeindliche Forderungen der AfD im Osten stärker als im Westen verfangen würden. "Aber ein Teil des Wahlvolkes und auch einige politische Akteure sind mit rationalen Argumenten nicht mehr zu erreichen. Unsere humanitären Verpflichtungen und der Zusammenhalt in Europa interessieren die AfD nicht", sagte Gauck.
Als Gründe für das Erstarken der AfD im Osten nannte Gauck "viel Frust und eine Erfahrung der Entwurzelung", die unter aus den Erfahrungen der Nachwendezeit entstanden seien, als viele ostdeutsche Betriebe schließen mussten und die Menschen arbeitslos geworden seien. "Es gibt keine Charaktermängel der Ostdeutschen, die zu einem abweichenden Wahlverhalten führen", so Gauck. "Vielmehr: die anderen Lebensumstände erschwerten das Erlernen von Eigenverantwortlichkeit."
Foto: Frau mit Kopftuch (Archiv), über dts Nachrichtenagentur