Die Europäische Union macht erstmalig Russland direkt verantwortlich für die zuletzt vermehrt aufgetretenen Sabotageakte in Europa. "Sabotage in Europa hat zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Die jüngsten Sabotageversuche in der Ostsee sind keine Einzelfälle. Sie sind vielmehr Teil eines Musters von absichtlichen und koordinierten Aktionen, um unsere Digital- und Energieinfrastruktur zu beschädigen", sagte EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas der "Welt". Hintergrund der Äußerungen der früheren Ministerpräsidentin Estlands ist die Beschädigung des wichtigen Unterwasserkabels "Estlink 2" in der Ostsee am vergangenen Mittwoch.
Es handelt sich dabei um eine 170 Kilometer lange Hochspannungsleitung zwischen Finnland und Estland. Die finnischen Behörden vermuten Sabotage und setzten den unter der Flagge der Cookinseln fahrenden Öltanker "Eagle S" fest. Dessen Anker könnte den Schaden am Kabel verursacht haben. Das Schiff soll der EU zufolge zur sogenannten russischen Schattenflotte gehören - Tanker und andere Frachtschiffe, die Russland benutzen soll, um Sanktionen etwa beim Öltransport zu umgehen.
Kallas sagte weiter: "Russlands Schattenflotte bedroht die Umwelt und füllt Russlands Kriegskasse. Jetzt stehen diese Schiffe auch unter dem Verdacht, Sabotageakte durchzuführen", erklärte Kallas. Sie kündigte an, die EU werde jetzt "stärkere Maßnahmen ergreifen, um den Risiken, die von diesen Schiffen ausgehen, entgegenzuwirken".
Die EU-Chefdiplomatin äußerte sich auch zum Absturz einer Passagiermaschine in Kasachstan mit 38 Toten, für den sich Kremlchef Wladimir Putin am Wochenende entschuldigt, aber keine direkte Verantwortung übernommen hatte: "Es gibt immer mehr Hinweise, dass die russische Luftabwehr das Passagierflugzeug abgeschossen hat. Während die Fakten allmählich zutage treten, liegt die Verantwortung für diese Tragödie letztlich bei Moskau." Russlands Krieg gegen die Ukraine habe "erst die Bedingungen dafür geschaffen, dass sich dieses Unglück ereignete".
Kallas forderte Washington auf, auch unter der Präsidentschaft von Donald Trump künftig selbstbewusst und mit Härte gegenüber Russland aufzutreten: "Hilfe für die Ukraine ist kein Almosen, sondern eine Investition in die Sicherheit von uns allen. Wenn die Vereinigten Staaten stark gegenüber Russland auftreten, verhindert dies Ärger mit China. Eine Unterstützung der Ukraine bewahrt die Amerikaner vor künftigen Konflikten."
Um der Ukraine aktuell finanziell stärker unter die Arme greifen zu können, sollen nach dem Willen von Kallas neue Wege beschritten werden. Kallas sagte: "Russland soll zahlen für den Schaden, den man angerichtet hat. Kiews Forderung nach Kompensationen ist legitim. Wir sollten diskutieren, wie einige der eingefrorenen (russischen) Vermögen oder der gesamte Betrag genutzt werden können, um die Ukraine zu stärken." Bisher wurden nach einem Beschluss der EU nur die Zinsgewinne abgeschöpft und in militärische Ausrüstung für die Ukraine investiert, während die russischen Zentralbankreserven (rund 210 Milliarden Euro) unangetastet blieben.
Foto: Kaja Kallas (Archiv), über dts Nachrichtenagentur