Indium statt Gold? Indium ist eines der seltensten Elemente der Erde. Das Edelmetall ist wirklich selten und seine natürlichen Vorräte sind endlich. Die Bedarfsmengen wachsen stetig. Zwangsläufig müsste der Preis in Zukunft deutlich anziehen.
von Hans-Jörg Müllenmeister
Wer von uns hat schon das Universalmetall Indium im Blickfeld, das vielseitige Hightech-Industriemetall. Investments beschränken sich eher auf die Edelmetalle Gold und Silber. Beachten Sie die historische Indium-Preisentwicklung, vor allem den Indium-Appetit in industrieller Anwendung bei gleichzeitig damit rasch schwindenden Weltvorräten. Gerade so ein exotisches Investment ist in Tiefpreisphasen – wie gerade jetzt – für Privatanleger mit „langem Atem“ eine Fundgrube und Wechselstube in Gold. 2002 bezahlte man noch für 1 kg Indium 80 US-$, aktuell etwa 450 US-$. Und morgen? Übrigens, nach einer längeren Bodenbildungsphase stieg die Notierung allein in 2021 um 60%. Indium ist wirklich selten und seine natürlichen Vorräte sind endlich. Die Bedarfsmengen wachsen stetig. Zwangsläufig müsste der Preis in Zukunft deutlich anziehen.
Preisvorhersagen sind gewagt
Das beweist die Chaos-Theorie. Wir alle agieren in einer chaotischen nicht mehr planbaren Welt. Ereignisse, gleich welcher Art, sind miteinander vernetzt – nicht nur Sturm und Braus in Wettervorhersagen. Selbst winzige Änderungen der Anfangsbedingungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben Auswirkungen auf das gesamte System „Menschheit“. Die genaue Vorhersage für die weitere Entwicklung des Systems ist nicht möglich (Stichwort: Der Schmetterlingseffekt ist so ein Gedankenbeispiel für ein nicht-lineares Phänomen).
Um den Indium-Preis sicher vorherzusagen, wäre eine Glaskugel ungeeignet. Neulich hörte ich sogar einen Wahrsager zum anderen sagen: „Indium wird dieses Jahr noch extrem steigen“. „Ja“, sagt der andere, „das erinnert mich an die Hausse von 2072“.
Etwas über In-Chemie und Vorkommen
1863 untersuchten die deutschen Chemiker Ferdinand Reich und Theodor Richter eine Spalethit-Probe, auch Zink- oder Honigblende genannt. Im Spektrum der Mineralprobe entdeckten die Forscher erstmals eine neue Absorptionslinie, die sie zuvor bei keinem der bis dahin 60 bekannten stabilen Elemente bemerkten. Sie nannten das neue silbergraue Element wegen seiner indigoblauen Absorptionslinie „Indium, kurz In“. Chemisch verhält Indium sich ähnlich wie seine übrigen Elemente-Kollegen der dritten Hauptgruppe im Periodensystem. Dazu mein Merksatz für Bor, Aluminium, Gallium, Indium, Thallium: Bei Allen Gazellen In Thailand.
Indium wartet zudem mit verblüffend spezifischen Eigenschaften auf. Es zählt zu den rarsten Metallen auf unserem Planeten. In der Erdkruste finden sich in 100 Tonnen Festgestein durchschnittlich nur etwa 24 Gramm Indium. Wirtschaftlich sind nur 11.000 Tonnen der 16.000 Tonnen der Weltreserven an Indium abbaubar. Reinrassig kommt Indium im Erdboden nicht vor, sondern als Nebenprodukt bei der Förderung von Zink-, Kupfer-, Zinn- oder Bleierzen. Die nachgeschalteten chemisch-elektrolytischen Verfahren zur Gewinnung und Reinigung des „Zubrots“ Indium sind dabei sehr aufwendig. Mehr als 70% der Fördermenge wird allein zu Indiumzinnoxid weiterverarbeitet. Der „gelbe“ Anteil der Weltproduktion lag in China bei 60%, das allein über 80% der Erd-Ressourcen verfügt.
Top-Eigenschaften für alle Zukunftstechnologien
Das Metall-Weichei Indium mit einer Mohshärte von 1,2 schmilzt schon bei 156,6°C; es hat einen bemerkenswert ausgedehnten Flüssigkeitsbereich bis über 1900°C. Erst bei 2080°C geht Indium in die Luft, wird also gasförmig. Diese und weitere bedeutenden Eigenschaften küren Indium als das Metall der Zukunftstechnologien wie Dünnschicht-Fotovoltaik, Displays, LEDs, Solarzellen, Touchscreens und Flachbildschirmen. Indium-Zinn beschichtete Glasplatten sind das Herzstück der meisten Displays. In Touchscreens arbeitet Indiumzinnoxid ebenso als Stromleiter wie in Leuchtdioden und Solarzellen. In Dünnschicht-Fotovoltaik-Anlagen erzielt das Mischkristall aus Indium, Kupfer und Gallium optimale Stromausbeute. Nano-Drähte aus Indiumphosphid wirken nicht nur in optischen Schaltern, sondern auch in der Medizin- und Lasertechnik. Indiumoxid als Komplex mit einer Spur Zinnoxid bildet eine leitfähige, transparente Verbindung: die Basis für LCD-Bildschirme oder Leuchtdioden. Unterhalb der sogenannten Sprungtemperatur von 3,41 Kelvin ist Indium supraleitend, d.h. der Strom fließt verlustlos, also ohne Widerstand. Der absolute Nullpunkt liegt übrigens bei 0 K oder −273,15°C.
Einige verblüffende Charakterzüge Indiums
Allein durch die weiter oben dargestellten Applikationen wächst bis 2030 der Jahresbedarf an Indium auf mehr als 2000 Tonnen – fast das Dreifache der gesamten heutigen Jahresproduktion. Schon die nahe Zukunft verheißt drastische Versorgungsprobleme. Der niedrige Schmelzpunkt prädestiniert das Metall für die Temperatursicherung in Feuerschutzanlagen und Transformatoren.
Und welches Metall, außer Zinn „schreit“ schon, wenn man es verbiegt? Nur Schreihals Indium, denn beim Verbiegen brechen die Kristalle des Metalls mit einem knirschenden, schrillen Geräusch. Außergewöhnlich: Indium bleibt bis -150°C form- und dehnbar. In flüssiger Form kann es Glas dauerhaft benetzen. Nanodrähte aus Indium-Phosphid wirken nicht nur in optischen Schaltern, sondern auch in der Medizintechnik und in der Lasertechnologie.
Zwei radiologische Anwendungen von Indium sind bemerkenswert. In der bildlichen Darstellung von Leukozyten verwendet man ein bestimmtes Radio-Isotop von Indium. Damit gelingt es, die weißen Blutkörperchen im Körper zu verfolgen und Infektionsherde zu identifizieren. Indium ist auch Bestandteil von Kontrollstäben in Kernreaktoren, wo es wie ein Abschirmjäger überschüssige Neutronen absorbiert.
Indium als Lötmetall und Legierungsbestandteil
Mit den meisten Metallen geht Indium eine Legierung ein und steigert bereits in geringer Konzentration die Härte und Korrosionsbeständigkeit. Auf Glas aufgebracht, bildet Indium ebenfalls eine korrosionsbeständige Oberfläche. Indium ist mit einer Reihe von Metallen legierbar. Einige dieser Legierungen, vor allem mit Bismut, Zinn, Cadmium und Blei, besitzen einen niedrigen Schmelzpunkt unter 100°C. Dadurch ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten z.B. in Sprinkleranlagen, Thermostaten und Sicherungen. Indium sorgt für weniger Rissbildung und besseren Schutz vor thermischen Ermüdungsbrüchen. Vor allem durch die hohe Dehn- und Formbarkeit lassen sich Materialien mit verschiedenen Wärmekoeffizienten miteinander verlöten. Mit Indium verbundene elektronische Bauteile, können Wärme besser und schneller ableiten. Materialien mit unterschiedlichem Ausdehnungskoeffizienten, z.B. Kupfer und Glas, lassen sich perfekt mit Indium verbinden.
Indium hält dicht und noch viel mehr
Die technische Schleichkatze Indium dringt fließend und kriechend selbst in kleinste Unregelmäßigkeiten der Materialoberfläche ein. Das ausgezeichnete Dichtungsvermögen – zwischen zwei härteren Metallen als Dichtung gepresst – verklebt z.B. zwei Flansche vollkommen und schließt hermetisch ab. Der silbergraue Tausendsassa bewahrt seine Verformbarkeit selbst bei kryptogenen Temperaturen im Hochvakuum. Daher wird Indium selbst in unwirklicher Umgebung, etwa im Weltall, erfolgreich eingesetzt – ohne Dichtungsbruch. Die „Dichtungskunst“ Indiums versagt bei den un-dichten Denkstuben der Multimilliardäre mit Weltraumtourismus-Phantasien.
Wie steht's mit dem Recyclen?
Mager. Soweit mir bekannt ist, recyclen bisher nur die Japaner Indium einigermaßen effizient: Bei LCD-Displays gewinnt man pro Gerät allerdings nur etwa 3 Milligramm aufwendig und teuer zurück.
Realität und Zukunftsaussichten
Einst löste in der Kreide-Tertiär-Zeit ein Metorit-Impakt eine Iridium-Anomalie aus. Das führte zu einer 30-fach höheren Bodenkonzentration des Metalls. Vielleicht stoßen in Jahrtausenden Archäologen auf eine besondere Bodenschicht, die mit Indium angereichert, das “damalige“ elektronische Zeitalter belegen.
Indium kommt geologisch in der Erdkruste zwar fast so häufig vor wie Silber, ist indes in Reinform bergbaulich nicht zu gewinnen. Mit nur etwa 360 Millionen US-Dollar/Jahr ist der globale Markt für Indium extrem klein, daher gibt es keinen Future-Handel an Börsen. Der Zappelphilipp-Preis „entsteht“ nur aufgrund von Angebot und Nachfrage. Staatliche Verbote – wie bei Gold gehabt – sind für den Besitz von Indium-Barren nicht zu erwarten. Geologisch bedingt, sinkt das Angebot rapide. Wichtig: Indium ist durch andere Rohstoffe kaum substituierbar. Eine alchemistische Kreation von Indium scheint eher utopisch.
Keine Utopie ist die beschleunigende Erosion unseres Rechtsstaates mit seinen „Transformationsphantasien“, während Planungsunsicherheit und Existenzangst der Bürger in Europa zunehmen. Gegen diesen unruhigen Schlaf gibt es ein Mittel: Ein mit Indium-Barren unterlegtes Ruhekissen! Es könnte sich in unsicheren Zeiten zu einem beruhigenden Wertspeicher aufplustern.