Was bei der Landtagswahl in Hessen passiert ist, spottet jedem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat. Wenn sich moralische Selbstermächtigung über Recht und Gesetz stellt, wird die Bundesrepublik zur Bananenrepublik.
"Westfalen-Blatt" zu den Unregelmäßigkeiten bei der Hessen-Wahl
Wenn in weniger demokratisch verfassten Staaten als der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird und es dort zu Unregelmäßigkeiten kommt, sind Politik und Medien schnell bei der Sache, fordern Wahlbeobachter, Neuauszählungen oder Neuwahlen.
Was am 28. Oktober bei der Landtagswahl in Hessen passiert ist, spottet jedem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat. In Frankfurt mussten die Ergebnisse in 88 der insgesamt 490 Wahlbezirke korrigiert werden. Die Abweichungen waren eklatant: So kam die CDU in einem Sachsenhausener Bezirk auf 6,2 Prozent. Nach der Korrektur sind 100 Stimmen von den Grünen zur CDU gegangen.
In Niederursel wurde das Ergebnis geschätzt und nicht ausgezählt, nun hat man 211 Wähler weniger ermittelt. Und das ist noch nicht alles: Die Stadt Frankfurt wies die Wahlvorstände in den Stimmbezirken an, die Stimmzettel in Taschen zu packen und in den Wahllokalen stehen zu lassen - unbeaufsichtigt in unverschlossenen Räumen.
Landeswahlleiter und Frankfurter Wahlamt sprechen von »Pannen«, »Übertragungsfehlern« und »Kommunikationsproblemen« - von vorsätzlichem Wahlbetrug ist nicht die Rede. Noch nicht.
Der hessische FDP-Politiker Ramin Peymani hat bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Wahlfälschung gestellt. Begründung: Die »erhebliche Asymmetrie der aufgetretenen Fehler« gehe vornehmlich zu Lasten von CDU, FDP und AfD; dies rechtfertige die Annahme eines Vorsatzes und mache Ermittlungen erforderlich.
Mit Joachim Wieland zweifelt ein Verfassungsjurist den Ablauf der Hessenwahl an. Wieland ist Professor für Öffentliches Recht in Speyer und Richter am nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof. Ausgezählte Stimmzettel dürften »nicht einfach so in der Schule zurückgelassen werden«. Es müsse sichergestellt sein, dass »im Zweifel auch eine Überprüfung der Wahl möglich ist«.
Ja, was denn sonst? Zur Legitimation einer Wahl und damit der Regierungsbildung gehört auch, dass das Ergebnis mindestens während des Zeitraums der Legislaturperiode nachprüfbar ist.
Das heißt, dass die originalen Stimmzettel von verantwortlichen Personen zum Wahlamt gebracht und dort über Jahre verwahrt werden.
Wenn das mit normalen Wahlhelfern nicht möglich ist, müssen auf den Staat vereidigte Beamte den Job machen.
Wer die AfD kleinhalten will, der muss eine Politik machen, die solche Parteien überflüssig werden lässt. Im Kampf gegen die Rechtspopulisten ist ein gesellschaftliches Klima entstanden, das für eine vermeintlich gute Sache fast alles erlaubt. Wenn sich moralische Selbstermächtigung über Recht und Gesetz stellt, wird die Bundesrepublik zur Bananenrepublik.