Für den aufmerksamen Beobachter war von Anfang an klar, dass es niemals einen Brexit geben wird. Das ganze Theater drumrum: reine Polit-Show, Nebelkerzen. So lange abstimmen zu lassen, bis das Ergebnis stimmt, hat in der EU Tradition.
Börsen-Zeitung: "Augen zu und durch!"
Kommentar zur Brexit-Politik von Andreas Hippin
Theresa May ist klar, dass sie im Parlament niemanden mehr von dem EU-Austrittsvertrag überzeugen wird, den hochrangige Karrierebeamte in ihrem Namen mit Brüssel ausgehandelt haben. Für die britische Premierministerin gilt nur noch eins: Die Wagenburg geschlossen halten, Augen zu und durch!
Je länger sich das den Abgeordneten versprochene "aussagekräftige Votum" zu ihrem Deal hinauszögern lässt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass noch ein paar ihrer Gegner aus reiner Verzweiflung dafür stimmen. Schließlich hat sich ihre Regierung alle Mühe gegeben, die Folgen eines EU-Austritts ohne vorherige Übereinkunft in den düstersten Farben zu malen. Folgt man der bizarren Logik Mays, ist die erneute Verschiebung des Abstimmungstermins auf den 12. März nur konsequent.
Wer geglaubt hatte, "die da oben" würden einen harten Brexit nicht zulassen, könnte schon bald eines Besseren belehrt werden. Das Land schlittert scheinbar unaufhaltsam darauf zu. Der Führungsnachwuchs der Tories hat keine Zeit, sich um die ungelösten Probleme des EU-Austritts zu kümmern, ist er doch voll und ganz damit beschäftigt, sich für die May-Nachfolge zu positionieren.
Der Streit um die Rückkehr der Dschihadistin Shamima Begum nach Britannien bietet bessere Profilierungsmöglichkeiten beim von Brexit-Müdigkeit geplagten Zielpublikum.
Und die proeuropäischen Kräfte in der Regierungspartei sind zu schwach, um das Steuer herumzureißen. Kein Wunder, dass Anna Soubry, Heidi Allen und Sarah Wollaston den Tories den Rücken kehrten, um mit von Jeremy Corbyn frustrierten Labour-Abgeordneten ihr eigenes Süppchen zu kochen.
Bislang haben die Brexit-Gegner keine Alternative zu Mays Deal vorgelegt. Sie haben nicht den Mut, einen Widerruf der Austrittserklärung zu fordern. Auch für ein erneutes Referendum finden sich nicht viele Unterstützer.
Stattdessen stellen sie Verfahrensfragen in den Vordergrund, die von der britischen Regierung nicht im Alleingang entschieden werden können, etwa eine Verlängerung der Austrittsfrist oder den Ausschluss eines Austritts ohne vorherige Übereinkunft. Und die nordirischen Republikaner nehmen ihre Mandate, die angesichts der knappen Mehrheit der Regierung entscheidend sein könnten, aus prinzipiellen Erwägungen nicht wahr.
Theresa May glaubt, die Uhr ticke für sie. Findet sie jedoch keine Mehrheit für ihren Deal, stehen Europa abenteuerliche Zeiten ins Haus. Da sollte man die Augen lieber offen halten.