Laut SPIEGEL will Russland mithilfe eines jungen AfD-Abgeordneten einen Informatinskrieg gegen die EU führen. Ein zweifelhaftes Dokument soll das angeblich beweisen. Ob es echt ist, ist unklar. Aber der SPIEGEL hält es für echt. Peinlicher geht es kaum.
Wahlkampfauftakt der AfD in Offenburg. Jörg Meuthen ist Spitzenkandidat. Dieser hat schlicht keine Lust, sich zum neuen SPIEGEL-Titel zu äußern. Er sei es "leid", über die Spendenaffäre und weitere "Fake News", wie die zur russischen Einflussnahme, zu sprechen.
Guido Reil, der auf Listenplatz 2 der AfD steht, beginnt seine Rede in der Oberrheinhalle mit dem Hinweis, dass er keine Manuskriptzettel dabeihabe. "Ich muss aufpassen, dass ich keinen Quatsch erzähle", sagt er, "aber ich habe einiges auf der Seele", das wolle er jetzt loswerden.
"Im Radio hab' ich gehört, dass Putin Puppen hat. Dat sollen wir sein", ruft er in den Saal. "Also ich weiß nur eines: Kein anderes Volk der Welt hat so unter dem Nationalsozialismus gelitten wie Russland, 28 Millionen Russen sind dort zu Tode gekommen". Und dass die AfD zu dieser historischen Verantwortung stehe. "Und wir in der AfD, wir lieben das russische Volk." Es gibt tosenden Applaus.
Das findet der SPIEGEL gar nicht gut. "AfD-Wahlkampfauftakt: Als wäre nichts gewesen" empört sich das Blatt.
Also wurden schnell ein paar befreundete Politiker eingeschaltet, damit der SPIEGEL eine neue Story hat: Ältestenrat soll Moskau-Kontakte von AfD-Politiker Frohnmaier prüfen. Der SPD-Politiker Oppermann will angeblich, dass sich der Ältestenrat des Bundestages mit den Russland-Verbindungen des AfD-Politikers Frohnmaier befasst. Auch führende Grüne fordern Aufklärung.
Putins Puppen
Wolfgang Hübner kommentiert:
Wer so plump Stimmung machen muss, hat in aller Regel an Fakten und Argumenten nicht viel anzubieten. Und das ist auch diesmal der Fall. Denn was der „Spiegel“ an Beweisen dafür präsentiert, dass Frohnmaier angeblich ein „unter absoluter Kontrolle“ Russlands „stehender Abgeordneter im Bundestag“ sein soll, stammt aus einer besonders trüben Quelle.
Bei dieser handelt es sich nämlich um ein sogenanntes „Dossier Center“ in London, das – welch ein Zufall – von dem Exilrusssen Michail Chodorowski finanziert wird. Chodorowski ist bekanntlich der Oligarch und ehemals reichste Russe, der seit seiner Haftstrafe in der alten Heimat der erbittertste all der zahllosen Putin-Feinde ist.
Der SPIEGEL hält das Dokument für authentisch
Doch was lesen wir auf Seite 10: „Der SPIEGEL hat das Material gemeinsam mit seinen Medienpartnern inhaltlich und technisch geprüft und hält es für authentisch.“
Abgesehen davon, dass diese Aussage seit dem Relotius-Fall von ganz speziellem Reiz ist, gibt die Formulierung „hält es für authentisch“ doch sehr zu denken. Denn wer die Informationen des von Chodorowski finanzierten Dossier Centers nur für authentisch „hält“, aber nicht für authentisch erklärt, „hält“ sich ganz bewusst ein Hintertürchen offen, um nicht demnächst in die nächste große Blamage des Qualitätsjournalismus zu geraten.
Allerdings muss niemand Putin-Fan, AfD-Sympathisant oder Frohnmaier-Freund sein, um in den Spiegel-„Enthüllungen“ eine ebenso schäbige wie durchsichtige Kampagne gegen die meistgehasste Partei des politisch-medialen Komplexes zu erkennen.
Was jedoch weit schlimmer und auch gefährlicher ist: Mit solchen Kampagnen wird in unverantwortlicher, aber absichtlicher Weise die Feindschaft zu dem Staat befeuert, der als größter ideologischer, politischer und militärischer Störfaktor für den „Vielfalt“-Imperialismus der deutsch-französisch dominierten EU betrachtet wird.
Wer in besagter Illustration den Verdacht nahelegt, der Berliner Reichstag stehe in Flammen, weil der junge Frohnmaier mit dem allmächtigen Dämon Putin verbandelt ist, der scheut vor keiner Infamie und Unwahrheit zurück.
Es bedarf wirklich keiner übersteigerten Fantasie, um so kurz vor der von den etablierten Mächten gefürchteten EU-Parlamentswahl einen Versuch zu vermuten, mit antirussischer Hysterie ein Feindbild zu verbreiten, das Angst und Unsicherheit verbreiten soll.
Allerdings ist es lächerlich, ja von absurder, Verzweiflung verratender Komik, die Russland-Kontakte des jungen Frohnmaier zu einem Risiko für Deutschland und Europa aufzublasen. Denn selbst wenn alle erhobenen Vorwürfe stimmen würden: Wie erbärmlich schwach wären unsere Wertedemokraten auf der Brust, sich davon ernsthaft gefährdet zu empfinden?
Offenbach: Rede von Guido Reil (AfD) zur Eröffnung des EU Wahlkampfes