Ist Deutschland noch geeint? Eine ideologische Mauer geht durch das Land. Der Schießbefehl ist heute wirtschaftlich und »freiwillig«: Aufzumucken kann (und soll) teuer werden.
Leipzig - AfD-Hirse raus:
von Dushan Wegner
Stellen wir uns eine Familie vor, und in dieser Familie herrscht Streit. Einige der Verantwortungsträger haben großen Mist gebaut, das Dach ist löchrig, die Tür darf nicht mehr geschlossen werden und keiner weiß warum. Die Mutter ist spielsüchtig und verzockt das Geld, ach ja, die Schulden werden nicht weniger, die Einnahmen werden dafür unsicher, und das alles führt zum Dauerstress, zu Streit und Nervosität.
An einem Tag, als der Streit besonders arg ist, erträgt es das jüngste Kind der Familie nicht mehr, ein Mädchen namens Susi, und es ruft ganz laut: »Hört auf mit dem Mist! Ihr macht unsere Familie kaputt und das Haus fällt schon auseinander!«
Die Familienmitglieder werden kurz still, drehen sich verdutzt zur kleinen Susi um und starren sie an. Die Eltern überlegen, wie sie reagieren sollen. Gehen sie in sich? Denken sie über ihr Verhalten nach? Vermessen sie ihre Verantwortung und die eigene Rolle in der Familie neu? Nein, im Gegenteil!
Es gibt einen Grund, dass diese Familie an einen solchen Punkt gekommen ist. Die Eltern nehmen das Flehen der kleinen Susi nicht so auf, wie sie sollten, oh nein! Die Eltern atmen tief ein, und dann fangen sie an, Susi zu beschimpfen!´
»Du bist dran schuld«, brüllen sie Susi an, »dass wir streiten!« – Der Rest der Familie stimmt mit ein, gewissermaßen dankbar, in der kleinen Susi einen gemeinsamen Feind gefunden zu haben, der einen vom eigenen Streit, vom löchrigen Dach, von den Problemen der Mutter ablenkt.
Sicher, auf ewig wird er nicht halten, dieser neue Familienfriede, aber für den Moment ist das Äffische in den Streitenden damit beschäftigt, den »Kampf gegen Susi« auszutragen.
Ähm – Ja – (Ausatemgeräusch)
Die sogenannten »FuckUpNights« sind eine dieser typischen Millenials-Veranstaltungen – »Hippe« Stadtbewohner treffen sich, um einander zu erzählen, dass sie voll okay sind, und diese finden wahrscheinlich sich »edgy«, weil sie einen vulgären Ausdruck im Namen haben, und sie finden sich doppelt edgy, weil sie ihre Niederlagen feiern, und dann natürlich (hoffentlich) ihr »Wiederaufstehen«.
Bei der Leipziger FuckUpNight im Herbst 2017 trat ein gewisser Malte Reupert auf. Herr Reupert ist Politiker bei den Grünen (grüne-tdo.info). Und er ist Chef der Leipziger Biomare GmbH (bio-mare.com). Geld stinkt nicht, nur manchmal riecht es nach Ideologie.
Reupert spricht in der bei Linksgrünen häufigen einlullenden Art mit vielen, langenDenk- und Redepausen. Zitat: »Ähm – Ja – (Ausatemgeräusch) – Ich mache solche Auftritte eigentlich nie, deswegen seht es mir nach, wenn ich etwas nervös bin – Ähm – (Ausatemgeräusch)«. Er hat ein abgebrochenes Studium (aber gut, das hatte Steve Jobs auch), »vom Handel eigentlich gar keine Ahnung und Planung ist auch nicht so wirklich meine Stärke«, sagt er. Er wirkt wie eine Art von Robert Habeck mit langen Redepausen und schütteren Haaren, dafür aber mit Biobrötchen (siehe YouTube, FuckUp Nights Leipzig, 4.9.2017, auch für die folgenden Zitate in diesem Abschnitt – man kann sich den Sermon ja ganz anschauen, gern mit erhöhtem Tempo, auch wenn einem etwas komisch wird, wenn das Publikum bei der Erwähnung von Gewalt gegen die Polizei lacht).
Übers Scheitern sagt er, es habe viel mit Fehleinschätzungen zu tun, und die entstehen vor allem »hier drin«, und beim »hier drin« fasst er mit der Hand an sein Herz. Dann: Kunstpause und »ähm«.
Über sich selbst sagt Reupert: »Evangelischer Pfarrerssohn. Da hat man `ne Aufgabe mitbekommen. Luther. Man gehört zu den Guten und Gerechten in der Welt.« – Was meint er mit »Guten und Gerechten«? – Im nächsten Satz erklärt er im linksgrünen Singsang: »Man ist fast automatisch in die linke politische Hälfte dieser Gesellschaft hineingeboren.« – Man sei auf einer »Mission, ein Guter zu sein«, und so weiter, und so fort.
Was meint er ganz konkret damit, zu den »Guten und Gerechten« zu gehören?
Wir könnten den Namen seines Unternehmens googeln, und dann würden wir vielleicht auf Internet-Postings stoßen, wo angebliche ehemalige Mitarbeiter behaupten, sich ungerecht behandelt zu fühlen, aber das kann schon passieren, dass ehemalige Arbeitnehmer grantig drauf sind, wir können das nicht prüfen.
Etwas spannender ist eine aktuelle Meldung über den Ökokapitalisten. Bild.de schreibt:
"Bio-Kette schmeißt AfD-Hirse aus dem Sortiment (…) Biomare-Chef Reupert teilte dem vermeintlich grüngesinnten AfD-Müller Plessow seine Entscheidung bereits im Juli mit. Er verkaufe keine Produkte von Unternehmern die Mitglieder einer Partei sind, die den von Menschen gemachten Klimawandel leugnet…" (bild.de, 2.10.2019)
(Wir merken hier ein stark färbendes Framing durch die BILD-Zeitung (»AfD-Hirse«, »vermeintlich grüngesinnten AfD-Müller«), doch wir gehen da jetzt nicht weiter drauf ein – das ist deutscher »Journalismus« heute.)
Nachdem der Streit öffentlich wurde, fand er seinen quasi-godwinschen Höhepunkt im Tweet des AfD-Pressesprechers:
"Ökos! Wehrt Euch! Kauft nicht bei AfDlern! #AfD #fckafd #NazisRaus #FridaysForFuture #ökowahn #fridays4Hubraum #AfDVerbot #AfDgehoertnichtzuDeutschland" (@christianlueth, 20.9.2019)
Es muss nicht extra gesagt werden, dass diese Provokation in ihrer provokativen Absicht erfolgreich war – und beide Seiten der Debatte jeweils in ihrer Meinung festigte, welche jeweils, auch das ist typisch deutsch heute, gleich ist, nämlich: »Die Anderen sind (wie) Nazis.«
In der Vorstellung der Grünen ist Hirse »metaphysisch belastet«, wenn der Bauer in der falschen Partei war. Ein irres, okkultes Weltbild, aber eines, das die Politik prägt. Was kommt als nächstes? Verzauberte Zuckerkügelchen in der Apotheke? Käse, der nur bei Mondfinsternis gekäst wird?
Darf man oder nicht?
Zunächst einmal, das Naheliegendste: Der AfD-Presseprecher hat eine Assoziation zum »Kauft nicht bei Juden!« der frühen NS-Zeit hergestellt. – »Darf« man das?!
Längere Notiz: Machtbesessene, intolerante und anti-diverse Linksgrüne, deren buchstäblich einziges »Argument« gegen die Opposition es ist, diese mit »Nazis« gleichzusetzen, empören sich regelmäßig, wenn die so Beschimpften ihnen im Gegenzug vorwerfen, selbst die Methoden der echten Nazis anzuwenden.
Die Bedeutung von »Nazi« ist eine andere: Wenn ein Linksgrüner das böse Wort »Nazi« sagt, meint er einfach nur »Nicht-Linksgrün-Globalistisch«, dem gegenüber meint »Nazi-Methoden« die Ähnlichkeit der Methoden mit den Methoden der Nazis selbst. – »Aber die Nazis haben viel schlimmere Dinge getan! Massenmord und so! Wir boykottieren nur ein wenig«, so verteidigen sich die Guten und Gerechten in etwa, und sie merken nicht, dass sie sich damit selbst auf eine graduelle Skala gesetzt haben – bei gleicher Himmelsrichtung wie die Finsteren damals.
Nun, es ist nicht das erste Mal in jüngerer Zeit, dass versucht wird, Andersdenkenden wirtschaftlich zu schaden. Wir erinnern uns etwa an den »Israelkritiker« Gerald Hensel, der de facto zum Werbeboykott von Henryk M. Broder aufrief (siehe achgut.com, 7.12.2016: »Der Denunziant von Scholz & Friends«), eine Kampagne – »Kauft nicht beim Broder!« kommentierten damals manche Beobachter zynisch.
Bürger und Unternehmer berichten seit nun mehreren Jahren davon, dass sie Angst haben, öffentlich Kritik an der Politik der Regierung auszuüben, geschweige denn sich zur Oppositionspartei zu bekennen.
Die Boykott-Entscheidung des Grünenterpreneurs von Leipzig ist mehr als nur eine private Entscheidung eines einzelnen Unternehmers mit mehreren Ladengeschäften. Der »Gute und Gerechte« passt sich in seiner Entscheidung inhaltlich an die von Staatsfunk und Propaganda-Parolen wie »Kampf gegen Rechts« geschürte Moral-Panik an.
Auf ihrer Website listet die Bio-Kette eine Reihe weiterer Lieferanten (link 1, link 2), in einem Fall aktuell sogar mit Foto des Kindes des Lieferantenpaares. Die Auslistung des einen AfD-Mitglieds als Lieferant setzt ein deutliches Zeichen an die übrigen Lieferanten: Wehe, ihr äußert eine »falsche« Meinung! – Liste einen aus, erziehe Dutzende!
Einen einfachen Sündenbock
Der Versuch, den vermeintlichen Gegner wirtschaftlich auszugrenzen, stellt zweifellos eine Parallele zu einem Ereignis zu Beginn des Dritten Reichs dar – und es ist nicht die einzige. (Zur Erinnerung für Leichtempörte und andere Doofe: Der Vergleich einer Auswahl von Eigenschaften stellt nicht die Gleichsetzung dar; ein Hund ist wie eine Kuh, insofern als er vier Beine hat, doch sollten sie einen Hund nicht melken und mit einer Kuh nicht Gib-Pfötchen spielen.)
Antisemitismus, Antiamerikanismus und der sogenannte »Kampf gegen Rechts« teilen eine zentrale »Nützlichkeit«. Alle drei bieten dem unzufriedenen Volk einen einfachen Sündenbock für allerlei Malaise, auch für die von den etablierten Mächten angerichteten Schäden.
»Die AfD schadet unserem Land und der Wirtschaft«, so wurde jüngst der Arbeitgeberpräsident zitiert (focus.de, 30.0.2019). In eine ähnliche Kerbe schlug auch FDP-Chef Lindner als er davor warnte, die Wahl der AfD würde dazu beitragen, dass weniger Touristen nach Ostdeutschland kommen (@c_lindner, 29.7.2019, das Foto wie vor einer Zellenmauer im Gefängnis wirft Fragen auf…). Die FDP scheiterte anschließend an der 5-Prozent-Hürde in den Landtagen, in Görlitz hatte ein ähnlicher politischer Erpressungsversuch allerdings Erfolg (siehe »Kunstschaffende Besserwessis«).
Die Attacken auf die AfD wirken, als wollte man einen Sündenbock suchen für das, was etablierte Mächte bewirken. Wirtschaft schwächelt? AfD! Spannungen in der Gesellschaft? AfD! Kanzlerin zittert? Bestimmt die Schuld der AfD – können die Hetzer denn keine Rücksicht auf deren Gesundheit nehmen?
Schauen Sie doch in eine beliebige politische Sendung des Staatsfunks hinein, natürlich in die als »Comedy« verkleidete Stimmungsmache und sogar in die Abendkrimis: Egal was im Land schief läuft, fast immer sind irgendwie angeblich »die Rechten« dran schuld.
Der Kampf gegen Rechts ist der Versuch, Kritiker auszugrenzen, doch es ist auch der (leider erfolgreiche) Versuch, einen Sündenbock zu finden, an dem sich die Leute abarbeiten können, um nicht auf die Idee zu kommen, sich gegen die Regierung zu wenden. – Ich hätte ja fast die Redensart »Zwei Fliegen mit einer Klappe« zitiert, doch ein häufigerer Ausdruck in Staatsfunk und Politik für die Opposition ist heute »Ratten«, und in jene Grütze sollten wir den Guten nicht folgen (siehe »Es ist 2019 und in Deutschland werden wieder Menschen mit Ratten verglichen«, und »›im Kanal die Rattenschar‹ – Humor im deutschen TV 2019«).
Jede Stadt oder jedes Haus
Deutschland ist wie eine Familie, die vor einigen schnell vergangenen Jahren nach langer Trennung wieder zusammenfand – und seitdem schrecklich zerstritten ist. Mit der AfD hat sie ein Familienmitglied gefunden, dass es wagt, die Probleme der Familie zu benennen, woraufhin die Mächtigen der Familie dieses Familienmitglied zum Sündenbock erklären, und damit eine nützliche Ablenkung von ihrem eigenen Fehlverhalten finden.
Quer durch Deutschland steht wieder eine Mauer, mit einer mächtigen Mehrheit und einer schwächeren Minderheit. Auf der einen Seite der Mauer leben die Menschen, die willig glauben, was sie im Staatsfunk hören, und wenn es sie das Leben und die Zukunft ihrer Kinder kostet – auf der anderen Seite die Leute, denen diese Gabe fehlt.
Die Mauerspechte an der neuen Mauer werden inzwischen »Rechtsextreme« oder »Faschisten« genannt. Wer abweicht, und sei es einen Millimeter, den will man fertigmachen. »Haltung« ist der neue Todesstreifen, und wer es wagt, hinüberzumachen, den wird man wirtschaftlich und sozial zu erschießen versuchen – wenn nicht gleich die Schläger der Antifa vorbeikommen, mit ideeller Rückendeckung von Politik und Staatsfunk.
Man könnte denken, dass die AfD schlecht für Merkel sei, doch eine andere These wäre, dass Merkel gerade heute die AfD braucht.
Während das Volk sich im »Kampf gegen Rechts« zerfetzt, kann Merkel dem Land weiteren Schaden zufügen.
Ohne die AfD bräuchte der Staatsfunk ein anderes Hassobjekt, um von Merkels Taten abzulenken – bevor es die AfD war, schossen die »Guten und Gerechten« ununterbrochen auf die FDP ein, jenseits aller Ratio (eine Lehre, aus der die Lindner-Kuhle-FDP eher wenig gelernt zu haben scheint).
»Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst uneins ist, wird nicht bestehen«, so heißt es in Matthäus 12:15b. Kann Deutschland bestehen, mit einer neuen Mauer quer durch die Köpfe?
Ein neue Mauer trennt Deutschland, und auch heute Abend werden sich Millionen von Bürgern wieder vor den Fernseher setzen, wo die Mauern in ihren Köpfen stabilisiert und immer weiter erhöht wird.
Deutschlands Einheit ist keine. Deutschland ist zerstritten, die Propaganda jagt die Menschen gegeneinander auf, die Gehorsamen gegen die Abweichler, die Bewahrer gegen die Gehirngewaschenen.
»Der innere Reichsparteitag« ist eine umstrittene Redewendung, doch ich will sowieso eine andere Formulierung anbieten, nämlich: Die innere Einheit!
Deutschland ist gespalten. Zu viele zu mächtige Leute mit zu tiefen Taschen arbeiten daran, die Mauer zwischen den Bürgern höher zu bauen. Es gibt nur so und so viel, was wir tun können.
Ein bekanntes Gebet bittet um die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die man ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. – Ob wir uns nun aufmachen, mit der Wahrheit gegen die Lüge anzuschreien, oder ob wir uns einfach nur in unseren Innenhof zurückziehen, dies wäre doch so oder so ein schönes Ziel: tun, was man für richtig hält, und sagen, was man für wahr erkannt hat, und ertragen, wenn sie einen dafür verfluchen.
Die Zeit ist nervös, das Land gespalten, die Handlungen der Politiker mehr als fragwürdig – und gerade deshalb wünsche ich Ihnen und mir einfach nur etwas, das man »die innere Einheit« nennen kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com. – Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.
Dushan Wegner verstehen:
Michael Mross im Gespräch mit Vera Lengsfeld - "Meinungsfreiheit in akuter Gefahr":
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