Ist der Milliardenraub von Dresden auch ein Gleichnis für das, was mit Deutschland geschieht? Bezogen auf die Politik könnte man mit gewissem Doppelsinn sogar formulieren: Deutschland IST ein "grünes" Gewölbe - mit allen Folgen.
von Daniel Matissek via FB
Ich habe mir eben die Live-Pressekonferenz zum Dresdner Kunstraub im Grünen Gewölbe angetan und viel gelernt über Prioritätensetzung im besten Deutschland aller Zeiten.
Unersetzliche Kunstschätze werden mit Sicherheitsmaßnahmen bewacht, die offenbar auf dem Stand der Nachkriegszeit oder bestenfalls des Arbeiter- und Bauernparadieses stehengeblieben sind: Ein brennendes Trafohäuschen, Stromausfall, kein ausgelöster physischer Alarm – stattdessen werden vom Wachdienst, offenbar eher zufällig, „kleinwüchsige“ Eindringlinge auf dem Monitor registriert.
Obwohl die im Gebäude anwesenden Sicherheitskräfte bewaffnet sind, setzt man lieber auf Deeskalation: „Das Menschenleben geht immer vor“, erklärt die Generalsekretärin der Sammlungen, Marion Ackermann.
Eine Stadt, die sich schon vor einem Jahr zum sicheren Hafen für Seenotrettung erklärt hat, riskiert für Profanitäten wie läppische Edelsteine im Wert von einigen Milliarden Euro doch nicht die körperliche Unversehrtheit von Räubern; sogar im Dunkeldeutschland Sachsen hat man begriffen: auch (mutmaßlich ausländische) Diebesbanden sind kostbare Menschenleben.
Also wird, wie bei jedem Hinterhofeinbruch bei Hempels, auch hier ganz gewöhnlich per 110 die Polizei verständigt; bis sie am Tatort erscheint, dauert es – Halle lässt grüßen – über fünf Minuten.
Im Behördendeutsch nennt man diese Zeitspanne heutzutage „unverzüglich“. Da ist der Coup natürlich schon vorbei; in der Luft liegt noch Benzingeruch, möglicherweise vom ersten Fluchtwagen. Der zweite steht in einer Tiefgarage in der Kötzschenbrodaer Straße in Flammen.
Die Täter – und mit ihnen der unwiederbringliche Staatsschatz August des Starken inklusive antiker Schmuck-Unikate – sind über alle Berge.
Was bleibt, ist wenige Stunden später eine vertrottelt dreinblickende Stammel-Runde von Polizei, Staatsanwaltschaft, Museumsverwaltung und Kulturpolitik, die sich in der Pressekonferenz den ungläubigen Fragen der versammelten Journalisten stellt und wortreich zu erklären versucht, dass dem „Sicherheitskonzept“ nach dieser Einbruch doch eigentlich hätte gar nicht passieren dürfen, dass hier alles richtig gemacht worden sei.
In ihre Gesichter malt sich dieselbe Ratlosigkeit und Verlegenheit, die Politiker bei allen anderen Fanalen des Sicherheitsversagens der jüngeren Geschichte an den Tag legten – etwa nach dem Breitscheidplatzanschlag, nach den Fällen Maria Ladenburger oder Mia Valentin: Es ist die Agonie des zusammengebrochenen Weltbilds, des erschütterten Urvertrauens, der jähen Konfrontation mit einer Normalität, die man jahrein-jahraus stets nur als populistische Hysterie, als aufgebauschte, statistisch unwahrscheinliche und keinesfalls den Regelfall abbildende Ausnahmeerscheinung abtut und zu der man ansonsten eher abstrakte Bezüge pflegt.
Die kriminelle Wirklichkeit passt nicht zum vom Staat propagierten optimistischen Menschenbild; und so sieht auch das Land, das sich seit Jahren zurückgehender Wohnungseinbrüche und (entgegen jeder Wahrnehmung der Bevölkerung) angeblich konstant sinkender Verbrechenszahlen rühmt, seine Kulturgüter nicht in Gefahr.
Und genau deshalb ist der epochale Milliardenraub von Dresden auch ein Gleichnis für das, was mit Deutschland, ja mit dem abendländischen Europa insgesamt geschieht: Seine Schätze und Werte sind überall in Gefahr, nicht nur in Gestalt von Diamantencolliers, geschliffener Brillanten oder gefasster Smaragde.
So dilettantisch, gleichgültig, unzureichend, stiefmütterlich wie im Grünen Gewölbe deutsches Kulturgut geschützt wird, so werden unsere Traditionen, Wertvorstellungen und unsere Identität insgesamt gegen äußere Bedrohungen geschützt.
Das Mantra „es wird schon nichts passieren“, keinen Fingerbreit der Panikmache, aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber der kulturellen, wirtschaftlichen und ideellen Selbstaufgabe und Ausplünderung haben ganz Deutschland längst in dieselbe Situation versetzt, in der die Staatlichen Kunstsammlungen Dresdens gerade sind: Kostbares geht dahin.
Der politische Islam ist landauf-landab auf dem Vormarsch, die Einheimischen werden in immer mehr Städten zur Minderheit, Deutsch wird in immer mehr Flecken der Landkarte zur Fremdsprache, es halten zunehmend kulturfremde Ernährungs- und Kleidersitten (wenn nicht -vorschriften) Einzug, Schlüsseltechnologien wandern in chinesische Hand, die einstigen Spitzenpositionen in Bildung und Technologie gleichen sich langsam, aber sicher denen von Schwellenländern an.
Die Wertschätzung für die Juwelen und Kostbarkeiten Deutschlands im übertragenen Sinne – also für all das, was dieses Land einst ausmachte und groß werden ließ – ist bereits auf dem Nullpunkt. Und dementsprechend gewichtet sind auch die Vorkehrungen zu seinem Schutz.
Die öffentlichen Sicherheitskonzepte sind so wirksam wie die im Grünen Gewölbe. Bezogen auf die Politik könnte man mit gewissem Doppelsinn sogar formulieren: Deutschland IST ein "grünes" Gewölbe, mit allen Folgen.