Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat Juso-Chef Kevin Kühnert nahegelegt, zunächst kein höheres Amt in der Partei anzustreben.
»Kevin Kühnert ist ohne Frage ein wirklich großes Talent«, sagt Gabriel in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL. »Ob man ihn, der selbst mit 30 weder eine Berufsausbildung noch ein Studium abgeschlossen hat, gleich in Führungsfunktionen einer Partei bringen sollte, ist allerdings eine andere Frage.« Gabriel gibt Kühnert den Rat, zunächst eine Ausbildung abzuschließen. »Er könnte ja jederzeit wiederkommen, wenn er sein Studium beendet und ein paar Jahre gearbeitet hat«, so Gabriel. »Eine Partei der Arbeit sollte nicht von jemandem geführt werden, der in seinem Berufsleben noch nicht angekommen ist.«
Gabriel kritisiert zudem den Umgang seiner Partei mit ihrem Spitzenpersonal. Im Zusammenhang mit der Atmosphäre in der Parteiführung spricht er von »Organisationsstalinismus«. »Dieser Drang, niemanden neben sich zu dulden, ist wirklich verheerend«,
so der ehemalige SPD-Chef. Über sein Aus als Außenminister im Jahr 2018 sagt Gabriel: »Das war der Wille von Olaf Scholz und Andrea Nahles. Beide haben meine Ausgrenzung damals gewollt, um einen möglichen Konkurrenten von Anfang an loszuwerden.«
Für die Krise seiner Partei macht Gabriel auch deren inhaltliche Ausrichtung verantwortlich: »In der SPD hat eine fatale thematische Verengung auf die Sozialpolitik stattgefunden. Weil es das einzige Feld ist, auf dem sie sich noch sicher fühlt. Wir geben immer mehr Milliarden aus, aber unsere Wahlergebnisse werden trotzdem immer schlechter. Man kann die Wähler eben nicht kaufen«, sagt Gabriel, der gerade ein neues Buch mit dem Titel »Mehr Mut! Aufbruch in ein neues Jahrzehnt« vorgelegt hat.