Die Empfehlungen der Nationalakademie Leopoldina zu einer möglichen Lockerung von Kontaktbeschränkungen wegen des Coronavirus stoßen auf Kritik. Grund sind die datenschutzrechtlichen Änderungsvorschläge, berichtet das "Handelsblatt". Die Wissenschaftler hatten vorgeschlagen, auf europäischer Ebene die Datenschutzregelungen für Ausnahmesituationen zu überprüfen und gegebenenfalls "mittelfristig" anzupassen.
"Dabei sollte die Nutzung von freiwillig bereit gestellten personalisierten Daten, wie beispielsweise Bewegungsprofile (GPS-Daten) in Kombination mit Contact-Tracing in der gegenwärtigen Krisensituation ermöglicht werden."
Als Vorbild nennen die Experten Südkorea. Der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar warnte vor einer "Aufweichung der Datenschutzregelungen" der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die auch in der gegenwärtigen Situation "nicht gerechtfertigt" sei.
"Die DSGVO sieht zum Schutz der allgemeinen Gesundheit bereits weitreichende Eingriffstatbestände vor, die insbesondere durch die nationalen Gesetzgeber ausgefüllt werden können", sagte Caspar dem "Handelsblatt". FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae mahnte, Gesundheitsschutz und Datenschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. "Südkorea sollte nicht unser Vorbild sein", sagte Thomae der Zeitung.
Der Erfolg einer Corona-App hänge maßgeblich davon ab, dass viele Menschen sie nutzen, ihr Handy auch ständig bei sich führen und die Technik nicht austricksen oder umgehen. "Dafür braucht es die Akzeptanz und das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer in die Integrität des Systems", so der FDP-Politiker.
"Auch unter der derzeitigen Rechtslage wäre eine freiwillige und datenschutzkonforme Corona-App möglich, die mittels Bluetooth-Technologie Informationen anonym austauscht und die Nutzer im Falle eines Kontakts zu einer infizierten Person benachrichtigt, ähnlich wie dies in Singapur erfolgreich angewandt wird."
Der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann riet hingegen mit Blick auf mögliche datenschutzrechtliche Änderungen, die wissenschaftlichen Empfehlungen ernst zu nehmen. "Ich finde es richtig, darüber eine mittelfristige Debatte zu führen", sagte Zimmermann dem "Handelsblatt".
Kurzfristig seien die aktuell verfolgten Ansätze einer freiwilligen App, die Bluetooth nutze, sinnvoll. Wichtig sei, mit diesen Apps jetzt Erfahrung zu sammeln, so Zimmermann weiter. "Sollte sich dabei herausstellen, dass gesetzliche Änderungen notwendig werden, sollte dies auf Grundlage dieser Erfahrungswerte diskutiert werden."
Foto: Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, über dts Nachrichtenagentur