Tausende Menschen gingen in vielen Städten Deutschlands auf die Straßen. Besonders hart griff die Polizei wieder mal in Berlin durch. Dort soll es zu 200 Verhaftungen gekommen sein. Videos zeigen brutales Vorgehen der Polizei.
In zahlreichen deutschen Städten sind am Samstag wieder tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zu protestieren - oder um Gegenprotest zu zeigen.
Allein auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart wurden mindestens 5.000 Teilnehmer gezählt, die ihren Unmut gegen die Coronavirus-Beschränkungen zeigten, in Hannover mindestens tausend.
In Berlin, wo maximal 50 Personen zusammenstehen dürfen, gab es auf dem Alexanderplatz gleich vier Kundgebungen, die allesamt von Polizeikräften umringt waren.
Auch hier wurde gegen Corona-Regeln und gegen eine Impfpflicht demonstriert. Vegan-Koch Attila Hildmann, der zu einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen am Reichstag aufgerufen hatte, lieferte sich vor laufenden Kameras ein Wortgefecht mit Comedian Oliver Pocher - bis dieser von der Polizei weggeleitet wurde, "zu seiner eigenen Sicherheit", wie es hieß.
Die Polizei war in Berlin mit rund 1000 Kräften im Einsatz. Etwa 100 davon kamen von der Bundespolizei zur Unterstützung. Man habe die Demonstranten mehrfach angesprochen und aufgefordert, sich an die Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus zu halten, so ein Sprecher. Dem seien einige bis zuletzt nicht nachgekommen, „so dass entsprechende Verfahren eingeleitet und die Identitäten festgestellt wurden“. Insgesamt seien über den Tag verteilt bis zum Nachmittag rund 200 Personen vorläufig festgehalten worden.
In manchen kleineren Städten gab es am Samstag größere Kundgebungen als in der Hauptstadt, so in Aachen, wo die Polizei 550 Menschen zählte, in Offenburg mit 250 oder in Baden-Baden 160 Teilnehmern. In Rostock waren etwa 40 Menschen einem Protestaufruf des AfD-Kreisverbandes gefolgt, 250 Personen protestierten dagegen.
In der Bundesregierung spricht man unterdessen von einer drohenden Vereinnahmung der Corona-Proteste durch Rechtsextreme. Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", viele Menschen seien derzeit in Sorge um "ihre Existenz". Es gelte daher, schnell zu handeln, damit die Menschen "ihren Lebensunterhalt sichern können. Damit verhindern wir auch, dass Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker den Ton setzen."
Seehofer wies zugleich darauf hin, dass in Deutschland jeder das Recht habe, "sich zu versammeln, zu demonstrieren und öffentlich seine Meinung zu sagen". Dieses Recht gelte es zu schützen. Auch der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, warnte vor dem Einfluss Radikaler auf die Proteste. Wenn Demonstrationen "von Extremisten unterwandert und missbraucht werden, gefährdet das unsere Gesellschaft", sagte Ziemiak der FAS. Verschwörungstheorien und Falschmeldungen seien "Brandbeschleuniger".
Die demokratische Mitte müsse "dagegenhalten und diese enttarnen". Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei sagte, es bereite ihm Sorge, "dass wir eine große Zahl von Extremisten und Paranoiden bei diesen Protesten beobachten".
Auch das "sehr hohe Maß an Aggression und Gewaltbereitschaft" beunruhige ihn. Oppositionspolitiker warnten ebenfalls vor einem Erstarken rechtsextremer Stimmen unter den Protestierenden. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sagte der FAS, es besorge sie zutiefst, "wenn Teile diesen legitimen demokratischen Protest kapern, um ihre rechte, antisemitische und verschwörungsideologische Agenda voranzutreiben".
Sie erwarte, dass jeder Demonstrant "hinterfragt, was für Parolen der Nebenmann schwingt". Sebastian Hartmann, Vorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen, hob hervor, Rechtsradikale agierten "zunehmend geschickter bei der Kaperung von Bürgerinitiativen und der Nutzung von staatlichen Symbolen - wie beispielsweise Flagge und Grundgesetz".
Es handele sich um ein "strategischen Vorgehen", das man nicht verharmlosen dürfe. Ralf Stegner, Vorsitzender der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, äußerte gegenüber der FAS, ein Großteil der derzeitigen Provokationen auf Kundgebungen gehe offenbar von "rechtsextremen Menschenfeinden" aus. Er sei als ehemaliger Innenminister in Gedanken bei den Polizisten, "die wegen dieser rechtsextremen Verschwörungsfanatiker im doppeltem Maße ihre Gesundheit riskieren müssen."
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