Die Corona-Pandemie sorgt für erhebliche Mehrarbeit bei den deutschen Staatsanwaltschaften. Bundesweit hätten die Strafverfolger seit Beginn der Krise etwa 20.000 Fälle wegen erschlichener Corona-Soforthilfen oder anderer Straftaten mit Pandemie-Bezug erreicht, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, der "Welt".
Die Staatsanwaltschaften hätten "relativ viele Verfahren zu führen etwa wegen Subventionsbetrugs. Da geht es um die Corona-Beihilfen oder auch sonstige Betrugsmaschen: Internet-Fakeshops, gefälschte Corona-Medikamente oder minderwertige Masken, die als FFP-2 verkauft werden", sagte Rebehn.
Die Subventionsfälle bezögen sich meist noch auf das Corona-Hilfsprogramm aus dem Frühjahr, das zum 31. Mai endete. "Mit der sogenannten Novemberhilfe will die Bundesregierung nun auch den gegenwärtigen Teil-Lockdown finanziell abfedern. Es bleibt abzuwarten, ob auch dadurch strafrechtlich ein Nachlauf entsteht."
Nach Einschätzung des Richterbundes dürfte es bis weit ins nächste Jahr hinein dauern, ehe die Strafjustiz alle Corona-Verfahren abgearbeitet hat. Das geht aus einer Umfrage der vom Richterbund herausgegebenen "Deutschen Richterzeitung" bei den Justizministerien und Staatsanwaltschaften der Länder hervor, über deren Ergebnisse die "Welt" berichtet.
Mit rund 7.500 Verfahren wegen Verdachts auf Subventionsbetrug und anderer Betrugsmaschen verzeichnen die Ermittler in Nordrhein-Westfalen danach die höchsten Fallzahlen. Das Landesinnenministerium beziffert die Schadenssumme in den polizeilich registrierten Fällen von Subventionsbetrug vorläufig auf mehr als 30 Millionen Euro.
Die zweitmeisten Verfahren wegen des Verdachts erschlichener Soforthilfen und anderer Straftaten mit Pandemie-Bezug hat Berlin registriert. Hier haben seit März mehr als 4.500 Fälle die Staatsanwaltschaft erreicht, in etwa einem Drittel geht es um Subventionsbetrug. Weitere rund 1.700 Verdachtsfälle sind derzeit noch beim Landeskriminalamt in Bearbeitung.
Die Berliner Verfahren wegen möglichen Betrugs bei Corona-Soforthilfen betreffen vorsichtig geschätzt eine Fördersumme von mehr als 10 Millionen Euro. Bei den Staatsanwaltschaften in Bayern sind bislang mehr als 2.200 Verfahren wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Pandemie aufgelaufen.
Weniger als die Hälfte der Fälle betrifft missbräuchliche Anträge auf Corona-Soforthilfen, der größere Teil hat andere Betrugsmaschen zum Gegenstand. So beschäftigen Verkäufe von gefälschten oder nicht vorhandenen Schutzmasken, Medikamenten und Impfstoffen die Ermittler, daneben das Ausspähen von Kreditkartendaten auf Fake-Seiten, Erpressungsversuche durch angedrohte Corona-Infektionen sowie Trickbetrügereien gegenüber älteren Menschen.
Die Schadenssumme allein durch die Fälle von Subventionsbetrug liegt in Bayern bei mehr als fünf Millionen Euro. Hessen, Hamburg und Niedersachsen verzeichnen jeweils mehr als 1.000 Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfezahlungen. Niedersachsen gibt eine vorläufige Schadenssumme von mehr als acht Millionen Euro an.
Alle anderen Bundesländer geben dreistellige Verfahrenszahlen in der Strafjustiz wegen missbräuchlich beantragter Corona-Beihilfen an. Die Verwaltungsgerichte haben im Zuge der Corona-Pandemie laut Richterbund seit März mehr als 6.000 Fälle erreicht. Seit Beginn des November-Lockdowns seien etwa 600 Eilanträge bei den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten eingegangen, so Rebehn.
Das sei prozentual zur Gesamtzahl der aller Verfahren bei den Gerichten zwar ein überschaubarer Aufwand, allerdings sei die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die hohen Zahlen von Asylverfahren in den vergangenen Jahren enorm gefordert. "Die Corona-Maßnahmen nehmen die Verwaltungsgerichte nun zusätzlich in Anspruch", so Rebehn.
Foto: Polizeieinsatz in der Hasenheide, über dts Nachrichtenagentur