Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich in der Debatte um sogenannte Privilegien für Geimpfte dafür ausgesprochen, Bürgern mit Corona-Impfung ihre derzeit eingeschränkten Grundrechte möglichst zurückzugeben.
"Es geht hier nicht um Privilegien, sondern um die Rücknahme von Grundrechtsbeschränkungen", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Freitagausgaben). "Nicht die Ausübung von Grundrechten bedarf der Rechtfertigung, sondern die Einschränkung der Grundrechte durch den Staat."
Je intensiver die Grundrechtseingriffe seien, desto höher seien die Anforderungen an die Begründung der Maßnahme. "Wenn sicher feststeht, dass von Geimpften keine Gefahr für andere ausgeht, fällt ein wichtiges Begründungselement für den Grundrechtseingriff weg."
Umgekehrt gelte aber auch: "Solange nicht wissenschaftlich sicher belegt ist, dass die Impfung auch vor einer Weitergabe des Virus schützt, kommt eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften gegenüber Nicht-Geimpften nicht in Frage", so die Justizministerin.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Debatte um "Privilegien" für Geimpfte zuletzt erneut eröffnet, als er der "Bild am Sonntag" sagte: "Geimpfte sollten wieder ihre Grundrechte ausüben dürfen." Betreiber von derzeit geschlossenen Restaurants, Kinos, Theatern oder Museen hätten ein Recht darauf, ihre Betriebe wieder zu betreiben, wenn es dafür eine Möglichkeit gebe. Maas hatte sowohl Zustimmung, als auch Kritik geerntet. Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lehnen eine besondere Behandlung von Geimpften ab.
Justizministerin Lambrecht sagte zugleich, es mache theoretisch "einen großen Unterschied, ob der Staat Grundrechte einschränken muss oder ob Private Angebote für bestimmte Personengruppen machen möchten": Private könnten im Grundsatz selbst bestimmen, mit wem sie Geschäfte machen möchten.
"Juristen sprechen hier vom Grundsatz der Privatautonomie. Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich untersagen können."
In der Praxis werde das aber zunächst nicht viel ändern, so Lambrecht. Anfangs werde es nicht genügend geimpfte Personen geben, dass sich solche Unterscheidungen für die Wirtschaft lohnen würden. Und je weiter die Impfungen voranschritten, desto eher würden alle Bürger zur Normalität zurückkehren, so Lambrecht. "Wir sprechen hier also nur über einen relativ kurzen Übergangszeitraum."
Die Ministerin mahnte daher, aus juristischer Sicht müsse man "die Dinge differenzierter betrachten, als dies in der bisherigen Diskussion häufig geschehen" sei. Es sei eine Vielzahl von Fallkonstellationen denkbar, die jeweils unterschiedlich zu bewerten seien. Überdies sei die Pandemie gerade in einer besonders kritischen Phase, in der man Grundrechte einschränken müsse, um die Verbreitung des Virus zu verhindern und Leben und Gesundheit zu schützen. "Das sollten wir bei unseren Überlegungen immer vor Augen haben", sagte Lambrecht.
Foto: Impfzentrum, über dts Nachrichtenagentur